Fernschreiben des Erfurter AfNS (MfS)- Bezirksamtes an die Berliner Zentrale 
am 4. 12. 1989 um '? Uhr

der gesamte Text des Fernschreibens  
das gesamte Fernschreiben im Original

"Information
Über die gewaltsame Erzwingung des Zutrits oppositioneller Kräfte zum Bezirksamt für Nationale Sicherheit Erfurt

Seit ca 10.00 Uhr wurden seitens Erfurter Bürger die gesamten drei Zugänge des Bezirksamt Erfurt blockiert...
In kürzester Zeit haben sich ca. 500 Personen an den drei Eingängen gesammelt... 
Da die Gefahr einer weiteren Eskalation bestand, entschied der Leiter des Bezirksamtes eine Abordnung von 10 Personen zu empfangen, um über das Anleigen dieser Kräfte informiert zu werden und beruhigend auf diese Einfluß zu nehmen...
...Einsichtnahme in die Archive sowie angeblich vorhandene Unterlagen zu konkreten Personen, die sich zum Teil unter den Anwesenden befanden, die Einsichtnahme in vorhandene Speicher sowie die Inaugenscheinnahme der Verkollerungsanlage und der Haftanstalt...
...wurde aufgrund der massiven Forderungen eine Objektbegehung realisiert.
..
Es konnte nicht verhindert werden, dass Papiersäcke, die zur Verkollerung vorgesehen waren, durch die Vertreter des sogenannten Bürgerkomitees eingesehen wurden...
Da auch den Maßnahmen der Staatsanwälte großes Mißtrauen entgegengebracht wurde, bestand man darauf, an neuralgischen Punkten innerhalb des Bezirksamtes sogenannte „Bürgerwachen“ einzusetzen."

Das Schreiben endet mit dem Satz:
"Durch die Besetzung der Ein- und Ausgänge des Dienstobjektes ist das Bezirksamt handlungsunfähig."

Am Nachmittag des 4.12.1989 informiert der Neue Leiter des MfS/AfNS,  Generalleutnant Schwanitz, über die Besetzung in Erfurt:

4.12.1989  16.30
Per Fernschreiber
cfs 17 l u f t

alle leiter der kreis- und bezirksaemter fuer ns

am heutigen tag drang eine grosze menschenmenge gewaltsam in das ba erfurt ein. weitere objekte sind bedroht. die situation ist noch nicht bereinigt. aus diesem anlasz wird angewiesen, sofort alle moeglichen zusaetzlichen masznahmen einzuleiten, um die objektsicherung zu verstaerken und kurzfristig zusaetzliche sperrmasznahmen durchzusetzen. der zutritt unberchtigter personen ist unbedingt zu verhindern. es sind alle zur verfuegung stehenden mittel, loescheinrichtungen und uebergebene spezielle mittel – auszer gezielte schuszwaffen anwendung – zum einsatz zu bringen. alle verfuegbaren kraefte sind auf diese situation einzustellen und entsprechend zu orientieren, um die vorgenannte aufgabe voll durchzusetzen. mit der volkspolizeit sind weitere abstimmungen zum einsatz zusaetzlicher kraefte herbeizufuehren.

afns, leiter
schwanitz
generalleutnant

Am vormittag des 5. 12. informiert der Leiter des MfS/AfNS, General Schwanitz, per Fernschreiben über alle Besetzungen am 4. 12. 
 - das gesamte Fernschreiben im Original 
 - der gesamte Text des Fernschreibens


Die im Text genannten Besetzungen am 4. 12. 1989: 

Erfurt
7.30 – 8.00 Uhr beginnt die Besetzung in Erfurt. 10.00 Uhr wird eine erste Abordnung durch den mit dem Leiter des Bezirksamtes zum Gespräch empfangen. 
Etwa zeitgleich wird auch die Kreisdienststelle Erfurt besetzt.
- der Ablauf der Besetzung in Erfurt

Rathenow (Bez Potsdam) Seit 8.30 Uhr wird das Kreisamt blockiert.

Angermünde (Bez Frankfurt/O) Ab16.00 bilden 15 Personen eine "Menschenkette", 21.40 kommt es zu einer "Kontrolle" im Kreisamt. 

Rostock 17.30 beginnt die Besetzung der Bezirksverwaltung in Rostock. 22.10 kommt es zum Gespräch mit dem Leiter des Bezirksamtes.
- der Ablauf der Besetzung in Rostock

KD Bad Doberan (Bez Rostock) das Kreisamt wird versiegelt

KD Greifswald (Bez Rostock) das Kreisamt wird versiegelt

KD Stralsund (Bez Rostock) 150 Personen dringen ein

Leipzig Ca. 18.00 im Zusammenhang mit der montäglichen Demonstration verschaffen sich 50 Personen Zutritt zur BV. Sie halten das Objekt von da an besetzt.
- der Ablauf der Besetzung in Leipzig

KD Templin (Bez. Neubrandenburg) Am späten Abend fordern 200 Personen zutritt. Mit 10 Personen wurde die Besichtigung der Heizanlage durchgeführt.

KD Saalfeld (Bez Gera) Gegen 22.45 bis 24.00 erfolgt eine "Besichtigung", „Kontrollposten“ werden aufgestellt.

KD Jena (Bez Gera) 100 Personen fordern Zutritt zum Heizungsraum.

KD Weißwasser (Bez Cottbus) Im Anschluss an das Friedensgebet fordern 2 Vertreter, ein Staatsanwalt und ein Polizist ca 20.00 Zutritt und versiegeln alle Panzerschränke.

KD Parchim (Bez Schwerin) abends . Das Objekt wird versiegelt.

KD Wernigerode (Bez Magdeburg) Ca 30 Personen fordern Einlass, 5 Personen verhandeln um Einsicht in die Akten zu nehmen, offenbar an dem Tag ohne Ergebnis.

KD Stendal (Bez Magdeburg) Der Einlass wird verweigert.

KD Zittau (Bez Dresden) ca 35 Personen 21.00 – 22.00 Gespräch mit dem Leiter, vorm Objekt verbleibt eine Mahnwache.

Aus unbekannten Gründen wird die Besetzung der Bezirksverwaltung Suhl am späten Abend nicht mit genannt. 
- der Ablauf der Besetzung in Suhl