Überregionale Vernetzung- das Ende des Berliner Ministeriums am 15. Januar 1990

Die Mitglieder des Berliner Koordinierungsausschusses wurden seit Januar 1990 in die DDR-weite Koordinierung der Bürgerkomitees einbezogen.1 link in Arbeit Die teilweise handschriftliche Teilnehmerliste der Sitzung am Vortag der Besetzung der Stasizentrale am 15. Januar 1990 nennt drei Berliner Vertreter, darunter auch Ernst Dieter Erdmann und Detlef Kummer.2 Das improvisierte Protokoll nennt die Gruppen „Antistasigruppen“ bzw. „Bürgerkomitees“. Seither war vom Bürgerkomitee Berlin die Rede, wenn es um den Kontrollausschuss der Berliner BV ging. Zwei Zeitzeugen bestreiten allerdings, dass sie den Kontrollausschuss bzw. seine Untergruppe jemals zum Bürgerkomitee umbenannt hätten. „Bürgerkomitee nannten wir uns eigentlich nie.“3 In den Polizeiprotokollen zur Gründung des Kontrollausschusses ist dagegen schon früh die Rede von der „Bildung eines Bürgerkomitees zur weiteren Ausgestaltung der Sicherheitspartnerschaft“4. Auch dies macht deutlich, wie sehr die Vorgänge in der Berliner BV „von oben“ designt waren, um den Eindruck zu erwecken, hier erfolge tatsächlich Bürgerkontrolle wie in Erfurt, Leipzig und andernorts auch. Mehr noch. Über die Medien wurde sogar der Eindruck vermittelt, das Berliner Bürgerkomitee kontrollieren die Auflösung der MfS-Zentrale.

 

Die mediale Täuschung war so erfolgreich, dass den Bürgerkomitees in den Bezirksstädten erst Mitte Januar voll bewusst wurde, dass die MfS-Zentrale und kontrolliert weiter arbeitete. Aber selbst dann merkte man nicht, dass das Berliner Bürgerkomitee eigentlich von Staatsseite gegründet war. Es wurde daher gleichberechtigt in die Vorbereitung zur Übernahme des Ministeriums in Berlin einbezogen, die die Bürgerkomitees aus den Bezirksstädten ab dem 12. Januar planten. Detlef Kummer und andere Mitglieder des Berliner Kontrollausschusses waren am 15. Januar schon früh auf dem Gelände des ehemaligen MfS in der Rusche-/Normannenstraße. Sie wollten verhindern, „dass was passiert. Der Aufruf vom Neuen Form, 'Klamotten mitzubringen', war natürlich ziemlich eigenwillig, mit Steinen kann man ja noch mehr.“5 Der damalige Berliner Polizeipräsident Dirk Bachmann erinnert, dass er am Morgen des 15. Januar mit dem amtierenden Leiter des ehemaligen MfS, Generalmajor Heinz Engelhardt telefoniert habe. Dieser habe ihm gesagt, dass ihn der Leiter des Berliner Bürgerkomitees berate.6 Neben Michael Kummer war es wohl Matthias Kornetzky aus Dresden, der die Verbindung zur AfNS-Spitze hielt.7 Dieser besaß, wie man heute weiß, schon früher Stasi-Kontakte gehabt. Allerdings waren auch Personen wie Margitta Hintze an diesem Tag schon früh mit vor Ort, die inzwischen als Mitarbeiterin der AG-Sicherheit des zentralen Runden Tisches für eine schnelle und konsequente Auflösung der Staatssicherheit stand. Michael Kummer erinnert sich vage an die Strategie an diesem Tag bei den Diskussionen auf dem Stasi-Gelände: „Sicherheitspartnerschaft, das war so ein Wort. Aber da wusste ja keiner, wie das zu bewerkstelligen ist [...]. Die Vorstellung [der Staatsseite], dass dann einer der Oppositionsgruppen Anweisungen gibt, die war ja völlig abstrus, das war undenkbar!“8 Kummer wird dann auch im Protokoll einer Runde genannt, die ab 14.30 Uhr das MfS in die Sicherheitspartnerschaft von Polizei und Bürgerkomitee-Mitgliedern überführte.9 Zu diesem Zeitpunkt waren schon längst die Bürgerkomitee-Mitglieder aus den Bezirksstädten auf dem Gelände angekommen, die die Arbeit des MfS beenden wollten. Es verwundert daher, dass nicht sie die Verantwortung für die Schleifung der „Bastille“ in die Hand nahmen, sondern der Leiter eines staatsnahen Kontrollgremiums diese wichtige Sitzung leitete. Kummer selbst kann sich das heute nicht erklären. Er meint, „das hieß damals einfach, wer macht den Sitzungsleiter, mach Du mal…“.10 Möglicherweise hatten die Bürgerrechtgruppierungen am Zentralen Runden Tisch die Berliner auch dadurch aufgewertet, da sie den Kontrollausschuss Ende Dezember selber als möglichen Auflöser für das Ministerium ins Spiel gebracht hatten.11

1 Anwesend ein Mitglied, das später als ehemalige IM identifiziert wurde. Anwesenheitsliste. II. Koordinierungstreffen der BK der Bezirke. Berlin 12.1.1990. Archiv Büko Berlin.

2 Teilnehmer des 2. Koordinierungstreffens korrigiert und ergänzt am 14.1.1990. Besitz Loukidis

3 BM ählich MK

4 Präsidium der Volkspolizei Berlin. Feststellungsprotokoll. 17.12.1989, LarchB, C Rep- 830-01 Nr. 29

5 BM

6 Bachmann der nur telefonisch verbunden war, verwechselte offenbar die Personen, was sogar zu einem Presserechtsverfahren führte.

7 Heinz Engelhardt Interview mit dem Autor am 12.11.2019.

8 MK

9 Protokoll über eine Beratung im ehemaligen Amt für Nationale Sicherheit am 15.1.1990 um 14.40 Uhr. Archiv des Bürgerkomitee 15. Januar. Link in Arbeit. Archiv Bürgerkomitee

10 MK

11 s.o.???