Chronologie

Ereignisse im Bezirk Rostock1

05.10.1989  In Kühlungsborn treffen sich beim Pastor der methodistischen Gemeinde Steinbach Rostocker Sympathisanten des Neuen Forums, um die Gründung einer Rostocker Gruppe des Neuen Forums zu besprechen. Erste Fürbittandacht in der Rostocker Petrikirche für inhaftierte Leipziger Demonstranten mit ca. 700 Teilnehmern.

07.10.1989 Schweigemarsch von Rostocker Jugendlichen von der Rostocker Innenstadt zur Petrikirche, wo eine „Andacht der Betroffenheit“ mit ca. 500 Teilnehmer stattfindet.

10.10.1989 Chef der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei (BDVP) Rostock erklärt auf einer Dienstberatung: „Wir müssen jederzeit eingestellt und vorbereitet sein, Menschenansammlungen aufzulösen.“

11.10.1989 Erste öffentliche Veranstaltung des Neuen Forums in der Rostocker Michaeliskirche mit ca. 500 Teilnehmern.

19.10. 1989 Demonstrationszug in Rostock mit ca. 10.000 Teilnehmern, ausgehend von der Petri- und der Michaeliskirche.

24.10.1989 Zweite große Demonstration durch die Rostocker Innenstadt.

26.10.1989 Zahlreiche Demonstrationen und Andachten in verschiedenen Städten im Bezirk sowie Treffen zwischen der SED und den neuen politischen Gruppen im Bezirk.

28.10.1989 Der Rostocker Oberbürgermeister Schleiff stellt sich den Fragen von Bürgern, die sich vor dem Rathaus versammelt haben.

03.11.1989 Beschluss des Bezirkstages über „Sofortmaßnahmen zur Beherrschung der gegenwärtigen Lage und zur weiteren Arbeit“

11.09.1989 Bildung eines Bürgerkomitees in Rostock als Ansprechpartner für den Rat der Stadt und die Volkspolizei.

12.11.1989 Geschlossener Rücktritt des Sekretariates der SED-Bezirksleitung. Die folgenden Wochen bis Anfang Dezember 1990 sind gekennzeichnet durch eine Beruhigung der Lage im Bezirk Rostock.

02.12.1989 Auf dem Gelände der IMES GmbH in Rostock-Kavelstorf werden Waffenlager entdeckt. Es erhärtet sich der Verdacht des Waffenhandels seitens SED und Staatssicherheit.

04. 12.1989 Rücktritt des Rates des Bezirkes Rostock. Bürgerkomitees übernehmen in zahlreichen Städten des Bezirkes, u. a. in Rostock, die Dienststellen des Amtes für Nationale Sicherheit.

06. 12.1989 Gründung des Unabhängigen Untersuchungsausschusses zur Sicherung und Überprüfung der Unterlagen des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit Rostock (UUA). Der UUA wählt einen Leitungskreis und fertigt „Dienstausweise“ an. 18.00 Uhr findet im Gebäude der BDVP eine erste Beratung mit den staatlichen Vertretern (Ministerrat, AfNS und BDVP) statt. Es wird eine Sicherheitspartnerschaft zwischen BDVP, Staatsanwaltschaft und UUA vereinbart und an allen Eingängen der Stasi- Gebäude auf Plakaten kenntlich gemacht. Rücktritt der Bezirksleitung Rostock der SED.

07.12.1989 Auf einer Beratung des UUA mit dem Regierungsbeauftragten und den Vertretern des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit wird der UUA als „zuständiges Bürgerkomitee akzeptiert“. Der UUA „beachtet vorhandene Tabu-Zonen (z.B. Abt. XV)“. Eine erste Erklärung des UUA, wird zu den Abendandachten in Rostocker Kirchen verlesen. Daraus geht hervor, dass der sich der UUA aufgrund einer Initiative des Neuen Forum gebildet hat und dass seine Aufgabe die „Sicherstellung und Überprüfung der Unterlagen im Rostocker Amt für Nationale Sicherheit“ sei. Er stehe ausdrücklich in völliger Unabhängigkeit von früheren oder gegenwärtigen Strukturen und Parteien.

08.12.1989 Die Mitglieder des UUA verpflichten sich auf einer Beratung mit Vertretern des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit und dem Regierungsbeauftragten zur Einhaltung des Personendatenschutzes.

09.12.1989 Der UUA wählt 09.00 Uhr aus seiner Mitte einen Sprecherkreis von sechs Personen, verzichtet ausdrücklich auf die Einsicht in die eigenen Akten und beschließt, zu anderen bezirklichen Bürgerkomitees Kontakt aufzunehmen. Auf einer Beratung 13.00 Uhr mit den staatlichen Vertretern wird die Inbetriebnahme der Finanzabteilung und der Kaderabteilung (für die Entlassung der Mitarbeiter) sowie der Abteilung XV (Auslandsspionage) geregelt. Der Runde Tisch der Stadt Rostock tagt zum ersten Mal. Vertreter von 15 Parteien/Gruppen setzen sich zusammen.

11.12.1989 Die Auflösungsarbeiten im Bezirksamt für Nationale Sicherheit Rostock beginnen.

12.12.1989 Alle Kreisämter des Amtes für Nationale Sicherheit im Bezirk sind an unabhängige Gruppen übergeben worden.

13.12.1989 Pressegespräch des UUA Rostock in der Untersuchungshaftanstalt des Bezirksamts für Nationale Sicherheit.

18.12.1989 Klärung des Ablaufs der Aktenverlagerung aus den Diensträumen ins Archiv und Festlegung von Kategorien (Kat. l: Quellenmaterial, Kat. II: allg. dienstliches Schriftgut, Kat. III: für Vernichtung freigegeben).

21.12.1989 Gründung des Runden Tisches des Bezirkes Rostock.

25.12.1989 Erstes Koordinierungstreffen von Vertretern der Bürgerkomitees der Bezirke Magdeburg, Potsdam, Rostock und Schwerin in Schwerin.

16.01.1990 Parteiausschluss des ehemaligen 1. Sekretärs der SED-Bezirksleitung Rostock, Ernst Timm und weiterer ehemaliger SED-Funktionäre.

19.01.1990 Haftbefehl gegen Ernst Timm durch den Bezirksstaatsanwalt.

31.01.1990 UUA wendet sich an die Volkskammer mit der Forderung der sofortigen Beendigung des Waffenhandels.

05.02.1990 Gründung der „Allianz für Deutschland“, zu der neben der CDU und der DSU auch der Demokratische Aufbruch gehört. Vorsitzender ist Rostocker Rechtsanwalt Wolfgang Schnur.

08.02.1990 Presseerklärung des UUA vom 08.02.1990. Darin erklärt der UUA, dass die Persönlichkeitsrechte sowohl der Hauptamtlichen als auch der Inoffiziellen Mitarbeiter sowie die der Betroffenen auch für die Mitarbeiter des UUA höchste Priorität hätten und daher keinerlei Einsichtnahme in das Aktenmaterial erfolge. Auch eine Einsichtnahme Betroffener in die eigene Akte könne deshalb nicht erfolgen. Es gehe dem UUA darum, „nicht Rache zu üben, sondern einer geordneten Gerechtigkeit den Weg zu bereiten. Ein Anliegen, dem sich auch der UUA verpflichtet weiß.“

14.02.1990 Ende der Rostocker „Donnerstagsdemonstrationen“, da die Veranstalter keine gemeinsamen Ziele mehr benennen.

01.03.1990 Der UUA wendet sich gegen den Vorschlag des Schweriner Bürgerkomitees, Akten des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit zu vernichten und veröffentlicht einen eigenen „Standpunkt zum weiteren Umgang mit den Unterlagen des ehemaligen MfS/AfNS“. Darin betont der UUA, er sehe seine Aufgabe darin, „alle strafrechtlich relevanten Unterlagen und weiterhin solche Materialien zu sichern, die Auskunft über Arbeitsweisen und Arbeitsinhalte des ehemaligen MfS geben“.

05.03.1990 Heidelore Czerny, Mitglied des Runden Tisches der Stadt Wismar, wird auf Basis von Informationen aus dem UUA als IM der Staatssicherheit enttarnt.

09.03.1990 Wahlveranstaltung von Helmut Kohl für die „Allianz für Deutschland“ in Rostock, an der 25.000 Menschen teilnehmen.

14.03.1990 Offenlegung der IM-Tätigkeit von Wolfgang Schnur als IM „Torsten“ bzw. „Dr. Ralph Schirmer“ im Fernsehen der DDR auf der Basis von Informationen eines Stasi-Offiziers sowie des Rostocker Unabhängigen Untersuchungsausschusses.

16.03.1990 Der Rostocker Runde Tisch erklärt seinen Rücktritt.

27.03.1990 „Offener Brief“ des UUA an die geschäftsführende Regierung der DDR, das Präsidium der Volkskammer der DDR sowie alle Fraktionen der Volkskammer. Darin fordert der UUA im Sinne einer Glaub- und Vertrauenswürdigkeit aller DDR-Mandatsträger dazu auf, dass alle Mandatsträger dazu bereit sind, sich auf eine mögliche Zusammenarbeit mit dem MfS hin überprüfen zu lassen. Der UUA bereitet eine Überprüfung der Mandatsträger in der Folgezeit vor.

19.04.1990 Der Chef der Deutschen Volkspolizei Generalmajor, Dieter Winderlich, sperrt auf Anweisung von Dr. Michael Diestel, dem neuen Minister für Innere Angelegenheiten der DDR, den Archiv- und Karteibereich in Rostock.

20.04.1990 Schreiben von Minister Diestel an den UUA, in dem er dem UUA für seine geleistete Arbeit dankt und die Tätigkeit des UUA - wie die aller andere Bürgerkomitees auch — mit Verweis auf die nun eingesetzte Regierungskommission für beendet erklärt.

27.04.1990 Strafanzeige des UUA gegen Dr. Michael Diestel und den Chef der Deutschen Volkspolizei, Generalleutnant Winderlich, wegen Sperrung des Archiv- und Karteibereiches des ehemaligen MfS im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Überprüfung der Mandatsträger im Bezirk.

09.05.1990 Der Generalstaatsanwalt der DDR, Seidel, weist die Strafanzeige zurück.

 

Anmerkung

1Nach Frank, Rahel: Vom Norden lernen? Die Auflösung der Staatssicherheit im Bezirk Rostock. In: Bürgerkomitee Leipzig (Hg.): Materialien zur Tagung in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke" in Leipzig, Leipzig. 2004, S. 65ff