Die Auflösungsbilanz- Die weitere Auflösung der Berliner Bezirksverwaltung

Mitte März, nach gerade 3 Monate, waren „der Personalbestand und die materielle-technischen Bestände des ehemaligen Bezirksamtes aufgelöst. Die Akten sind vollständig in die von der staatlichen Archivverwaltung zu übernehmen und durch das BdVP gesicherten Räume untergebracht,“ hieß es grob vereinfachend im Abschlussbericht des Berliner Regierungsbeauftragen.1 Der Arbeitsstab hatte ca. 130 Bürger-Anfragen entgegengenommen. Die meisten kreisten um Gehalt, Renten etc. – offenbar Anfragen von ehemaligen MfS-Mitarbeitern. Vier betrafen Hinweise zu konspirativen Wohnungen, eine Mordsache, 34 die Akteneinsicht.2

Dokument: Abschlussbericht des Regierungsbeauftragten vom März 1990, RHG

Foto: Ehemalige BV. Innenansicht des Foyers 2020

Nach offizieller, der alten Tonnenideologie ähnelnden, Abrechnung war die Bilanz durchaus ansehnlich. Von 2515 ehemaligen Mitarbeitern, hatten nur 120 einen Antrag auf Arbeitslosenunterstützung stellen müssen, 1140m Schriftgut waren gesichtert, allerdings Tonnenweise Altpapier nach Schwedt abtransportiert worden, mehrere hundert KFZ abgegeben, Büroausstattung verkauft, über 200 Immobilien3 identifiziert und großenteils weitervermittelt worden.

Foto: Das sogenannte Haus 1 in der ehemaligen Straße der Befreiung. Heute im Verwaltungskomplex Kowalkestraße in Berlin-Friedrichsfelde

Insgesamt entstand in Berlin also ein relativ dichtes Kontrollnetz, an dem 1990 zeitweise mehrere Dutzend Personen beteiligt gewesen sein müssen. Wie effektiv dies tatsächlich war, ist eine andere Frage. Berichte der AG S Berlin klangen durchaus resigniert, sie sei „personell nicht in der Lage allen Hinweisen nachzugehen“4, die aus der Bevölkerung eingingen. Dabei gab es Gründe genug dies zu tun. Die Listen mit Immobilien, die die zentralen Organe übergeben hatten, erwiesen sich „im Nachgang als sehr unvollständig“5. Es konnten schließlich durch Bürgerhinweise fast doppelt so viele identifiziert werden. Statt die Immobilien, entsprechend den Vorgaben der RTB, zu kommunisieren mussten „Unregelmäßigkeiten bei der Übergabe von Objekten festgestellt werden“6.

Ausweislich der Protokolle des RTB, bereitete seine AGS mehrfach Berichte, Beschlüsse und Anfragen vor. Bemerkenswert ist die Initiative zur Überprüfung von Leitungsfunktionen im öffentlichen Dienst. Es gab zahlreiche Beschwerden aus Belegschaften, die sich beklagten, wie ehemalige Stasi-Mitarbeiter bei ihnen angestellt wurden. Hier ging es weniger um die Tatsache der Anstellung an sich, die ja mit der populären Forderung, „Stasi in die Produktion“ auf Demonstrationen angemahnt worden war. Allerdings waren inzwischen rationalisierungsbedingte Entlassungen nicht mehr auszuschließen. Auch schien manche Personalabteilung auf Grund früherer guter Beziehungen zum MfS, Mitarbeiter zuweilen an privilegierten Stellen mit lukrativer Bezahlung einzustellen. Es zeigte sich zudem, „dass Misstrauen gegenüber leitenden Mitarbeitern in Betrieben besteht, von denen angenommen wird, dass die als informelle Mitarbeiter des MfS gearbeitet haben“7. Der RTB beauftragte auf Grund solcher Erkenntnisse den Magistrat von Berlin, in Zusammenarbeit mit der Regierung der DDR, durchzusetzen, dass inoffizielle Mitarbeiter des ehemaligen MfS im Verlaufe der nächsten Jahre keine leitende Funktionen in Betrieben, Einrichtungen und Organisationen in höherer und mittlerer Ebene ausüben“8. Kurz darauf beschloss der RTB, „alle an ihm vertretenen Parteien und Gruppierungen lassen ihre Kandidaten, die sich zur Wahl für die Stadtverordnetenversammlung, Stadtbezirksversammlung und ins Bürgerkomitee wählen lassen, bezüglich ihrer Zusammenarbeit mit dem ehemaligen MfS, AfNS und anderen Geheimdiensten überprüfen lassen. Die Überprüfung erfolgt durch das Komitee zur Auflösung des ehemaligen AfNS, einem Vertreter der Partei oder Gruppierung, deren Kandidatinnen überprüft werden und einem Vertreter der Wahlkommission.“9 Diese weitgehenden Beschlüsse zur Überprüfung von Kommunalpolitikern und Leitungspersonal zeigt, dass diese keineswegs Erfindungen der altbundesrepublikanischen Regierung war, sondern in den ostdeutschen Erfahrungen wurzelten.

 

 

 

Anmerkungen:

1 Regierungsbeauftragter Berlin Abschlussbericht. 20.3.1990. LArchB, C Rep. 830-01 Nr. 2

2 Wie die Akteneinsichtsanliegen bearbeitet wurden, war den gesichteten Akten nicht zu entnehmen. Arbeitsstab Berlin. Einschätzung der Bürgeranliegen.5.6.1990.???. BStU, MfS, Liegenschaften 34, Bl. 329-330

3 Information zum Stand der Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit in den Bezirken. 14.2.1990. LArchB, C Rep. 830-01 Nr. 2

4 RTB Berlin. AGS. Bericht.14.3.1990. LArchB, C Rep. 101 Nr. 2746

5 RTB Berlin. AGS. Bericht.14.3.1990. LArchB, C Rep. 101 Nr. 2746

6 RTB Berlin. AGS. Bericht.14.3.1990. LArchB, C Rep. 101 Nr. 2746

7 RTB Berlin. AGS. Bericht.14.3.1990. Larch, C Rep. 101 Nr. 2746

8 RTB. Beschluss. 22.3.1990. LArchB C Rep. 830 Nr. 13

9 Runder Tisch Berlin. Beschlüsse. Vierzehnte Tagung am 22.3.1990. LArchB, C Rep 107 Nr. 4079, Band 26

Stasi-Auflösung durch die neue Stadtverwaltung

Nach den Kommunalwahlen vom Mai 1990 bildete sich ein neuer Magistrat von Ostberlin unter Leitung des Oberbürgermeisters Tino Schwierzina (SPD). Sein Vertreter für Inneres war Thomas Krüger (SPD), heute Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Der Theologe und Oppsitionelle Krüger wurde nun auch für die Stasi-Auflösung von Ostberlin zuständig. In der Gruppe war auch Peter Neumann tätig, der vorher für die operative Gruppe gearbeitet und an der Dmonstration vom 15. Januar teilgenommen hatte. Er war auch für die Überprüfung des öffentlichen Dienstes auf Stasi-Verstrickungen zuständig.

Film Peter Neumann, damals Stasiauflöser