Stasi raus! Die Auflösung der Staatssicherheit im Bezirk Magdeburg

 

Autorin: Edda Ahrberg

 

Textgliederung:

Vorgeschichte und Forderungen nach Stasi-Auflösung in der Region

Auf dem Weg zur Bürgerkontrolle

Beginn der Bürgerkontrolle und Schließung der Bezirksverwaltung

Zum Umgang mit den Akten

Konflikte im ersten Halbjahr 1990

Der Bürgerkomitee-Verein und Entwicklung nach dem 3. Oktober

 

Text

Stasi raus! Die Auflösung der Staatssicherheit im Bezirk Magdeburg

Autorin: Edda Ahrberg

„Erich tritt ab! Wir wollen Freiheit, Reise-, Meinung[sfreiheit]! Wir wollen keinen korrupten Staat! Weg mit der Volkspolizei und Stasi!“ Dieser Aufruf auf braunem Packpapier versetzte die MfS-Mitarbeiter in Ilsenburg/Harz am 7. Oktober 1989, dem 40. DDR-Geburtstag Aufregung. Sie ahnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass ihr „Aus“ besiegelt war.

Vorgeschichte und Forderungen nach Stasi-Auflösung in der Region

Am 14. September 1989 beschlossen Mitarbeiter und Mitglieder der Domgemeinde in Magdeburg vor dem Hintergrund der Massenfluchten aus der DDR, der Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze und der Gründung des Neuen Forums (NF), jeden kommenden Montag zu einem Gebet für gesellschaftliche Erneuerung einzuladen.1 Das erste Gebet fand vor ungefähr 130 Menschen am 18. September statt. Einen Tag später meldeten die Ärztin Erika Drees aus Stendal (Altmark) und der Pfarrer Hans-Jochen Tschiche das Neue Forum als Vereinigung beim Stellvertretenden Vorsitzenden für Inneres des Rates des Bezirkes Magdeburg an.2 Friedensgebete fanden schon seit 1982 jeden Donnerstag um 18 Uhr im Magdeburger Dom statt. Sie entwickelten sich ab 1988 auch zu einem Treff für Ausreiseantragsteller. Mit „Schweigespaziergängen“ protestierten sie im Anschluss an das Gebet gegen die staatlichen Observierungen und Schikanen, denen sie ausgesetzt waren. So auch am 5. Oktober 1989, an welchem die Volkspolizei (VP) und Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) den Spaziergang nach dem Gebet mit Gewalt „auflösten.3 Die Brutalität der Sicherheitskräfte entsetzte die Menschen und es tauchten erste kritische Plakate mit der Forderung nach Abschaffung der Staatssicherheit auf. So bekamen auch die erwähnten MfS-Mitarbeiter in Ilsenburg/Kreis Wernigerode die Forderung nach der Auflösung der Stasi lesen, sogar mit dem ironischen Zusatz  „alle[r] Welt zum guten dienen, Deutschland einig Vaterland [...].“ Das war eine Anspielung auf die DDR-Nationalhymne. Hinter das Wort „Stasi“ hatte der Schreiber zwei SS-Runen gemalt.4

In dieser Zeit begannen die Menschen in vielen kleinen Städten, und auch in Magdeburg den öffentlichen Raum zu erobern. Nachdem der Stellvertreter Inneres des Magdeburger Oberbürgermeisters, Dr. Werner Nothe, am 9. Oktober „öffentliche Gespräche in öffentlichen Räumen“ angeboten hatte, um den Protest aus der Kirche und von der Straße weg zu holen, erhielt er drei Tage später von Mitgliedern des Neuen Forums einen offenen Brief. Sie forderten u. a. die „Freilassung aller auf Grund ihrer demokratischen Aktivitäten festgenommenen und verurteilten Personen, Einstellung sämtlicher Ermittlungsverfahren gegen diesen Personenkreis, [...die] Einstellung unrichtiger Motivierung von Volkspolizei, Bereitschaftspolizei, Kampfgruppen und Staatssicherheit [...]“.5 Sie ahnten nicht, dass am gleichen Tag Werner Nothe, der im Geheimen MfS-Offizier im besonderen Einsatz (OibE) war, von Oberst Kurt Stoye, dem Leiter der MfS-Kreisdienststelle (KD) Magdeburg, eine Auszeichnung erhielt.6

Kirchengemeinden in den Kreisstädten und in kleineren Orten folgten dem Beispiel Magdeburgs und den zahlreichen Aufrufen der Repräsentanten des Neuen Forums. Die erste öffentliche Demonstration im Bezirk Magdeburg fand am 10. Oktober 1989 auf dem Marktplatz in Wernigerode statt, ausgelöst von 15 Jugendlichen mit Kerzen.7 Zwei Tage später gingen in Stendal ungefähr genauso viele Menschen mit Kerzen auf die Straße.8

Der erste „tätliche Angriff“ auf ein Objekt der Staatssicherheit erfolgte am 22. Oktober durch einen Betrunkenen, der eine gefüllte Sektflasche in den Eingangsbereich der Kreisdienststelle Gardelegen warf.9 Das vermutlich erste Transparent gegen die Staatssicherheit, das auf einer Demonstration gezeigt wurde, wurde am 25. Oktober in Halberstadt festgestellt. Den Weg zur MfS-Kreisdienststelle fanden die Demonstranten zuerst in Stendal. Nach einem Schweigemarsch durch die Stadt mit rund 3000 Menschen stellten am 26. Oktober etwas 60 von ihnen brennende Kerzen auf dem Bürgersteig und der Mauer vor der Kreisdienststelle auf.10 Ab dem 23. Oktober fand im Anschluss zu den Domgebeten die erste Demonstration statt. Sie führte ringförmig durch die Innenstadt vom Dom und zum Dom zurück. In der Folge fanden jeden Montag weitere Demonstrationen statt, die dann auch zum Rathaus, zur Kreisdienststelle, zur SED-Bezirksleitung gingen.11 Am 30. Oktober war auch hier auf einem Transparent zu lesen: „Wir brauchen keine Staasi mehr!“

Inzwischen erreichten die MfS-Spitze in Berlin Berichte aus dem ganzen Land über Proteste, die sich immer häufiger auch gegen Einrichtungen der Volkspolizei und der Staatspartei SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) richteten. Diese Vorgänge riefen bei den SED-Genossen nach dem Rücktritt des langjährigen Partei- und Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker am 18. Oktober große Besorgnis hervor. Als Ausdruck dafür kann die Weisung des Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke, vom 31. Oktober 1989 an alle Bezirksverwaltungen und Kreis- sowie Objektdienststellen-Leiter (KD/OD) zu verstärktem Objektschutz gelten: „Vorrangiges Ziel aller Maßnahmen besteht in der wirksamen Abwehr von Versuchen des gewaltsamen Eindringens in die Dienstobjekte. Das hat grundsätzlich ohne Anwendung der Schusswaffe zu erfolgen. Die Anwendung der Schusswaffe ist nur dann zulässig, wenn das gewaltsame Eindringen in das Dienstgebäude selbst nicht mehr verhindert werden kann, die Anwendung aller anderen Mittel nicht zum Erfolg führte und eine unmittelbar drohende Gefährdung anderer Personen oder der eigenen Person nicht anders verhindert oder abgewendet werden kann.“12

Der Protest in der Bevölkerung ließ sich jetzt nicht mehr ohne Gewaltanwendung aufhalten und der Magdeburger Stasi-Bezirkschef, Generalmajor Wilfried Müller, leitete am 3. November die Anweisung Erich Mielkes zum Einsatz chemischer Kampfmittel als Alternative zur Schusswaffenanwendung (O 12/89) an die Kreisdienststellen-Leiter weiter.13 Als Werner Eberlein, der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, und Oberbürgermeister Werner Herzig am selben Tag auf dem Domplatz in Magdeburg von Zehntausenden ausgepfiffen wurden, war das Ende der Partei- und Staatsmacht bereits abzusehen.

Transporte von Unterlagen in die BV sollten von nun an nur noch „gedeckt“ und nachts durchgeführt werden. Der Transport des verkollerten Materials begann vermutlich am 13. November mit drei grünen LKW in ein „Objekt der Freunde“, wie die sowjetischen Besatzungstruppen genannt wurden.16 An diesem Tag mussten die Mitarbeiter des MfS den peinlichen Auftritt von Erich Mielke vor der Volkskammer im Fernsehen erleben, der auf sie einen niederschmetternden Eindruck machte. Das wird besonders in den Aufzeichnungen über eine Dienstberatung am Folgetag in der Kreisdienststelle Gardelegen deutlich. Die MfS-Angehörigen waren entsetzt und fassungslos.17 Warum die Bezirksverwaltung gerade in dieser angespannten Situation am 14. November den Nutzungsvertrag mit der Nationalen Volksarmee (NVA) für ihre Ausweichführungsstelle in Körbelitz/Kreis Burg kündigte und das Objekt dem Militär übergab, ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich.18 Möglicherweise wollten sie sie dadurch von Bürgerprotesten schützen.

Im MfS selbst begannen Auseinandersetzungen über geplante Entlassungen, welche im Rahmen der inzwischen beschlossenen Umstrukturierung vorgenommen werden sollten. Noch in der gleichen Woche, also bis zum 17. November, sollten die Aktentransporte aus den Kreisdienststellen in die Bezirksverwaltung abgeschlossen werden. MfS-Generalmajor Wilfried Müller stellte sich zehn Tage nach einem ähnlichen Interview des stellvertretenden Ministers für Staatssicherheit, Rudi Mittig, in der SED-Zeitung „Neues Deutschland“ unter der Überschrift „Offene Antworten des MfS-Generals“ den Fragen der Reporter der SED-Bezirkszeitung „Volksstimme“. Er bemühte sich den Eindruck zu erwecken, dass die Arbeit der Staatssicherheit auf gesetzlichen Grundlagen beruhte und diese Regelungen auch eingehalten würden. Gleich zu Anfang sprach er offensiv die Forderungen nach einer Abschaffung des MfS an und riet vehement davon ab.19 Das Interview wurde am 17. November 1989 veröffentlicht. Am gleichen Tag beschloss die Volkskammer die Umstrukturierung des MfS in ein „Amt für Nationale Sicherheit“ (AfNS). Zum Leiter wurde Generalleutnant Dr. Wolfgang Schwanitz bestimmt. Das war nicht das, was viele Bürgerinnen und Bürger in Magdeburg wollten. Am 20. November demonstrierten deshalb in der Bezirksstadt rund 30 000 Menschen vom Dom zur Kreisdienststelle in der Walter-Rathenau-Straße. Vor dem Haupttor wurden vierzehn Forderungen verlesen, u. a. die vollständige Aufklärung der Arbeit des MfS, die Herausgabe der Akten auf Verlangen der Bürger und die Beendigung der Aktenvernichtung. Zahllose Kerzen auf der Mauer erhellten die Nacht.

Foto In Arbeit

In Wernigerode standen ebenfalls Kerzen an der Kreisdienststelle. In der Osterburger Nikolaikirche verlas man einen Brief an den neuen Vorsitzenden des Ministerrates, Hans Modrow, in welchem u. a. die Auflösung des MfS sowie die Rechenschaftslegung der Staatssicherheit im Kreis gefordert wurde.20 Im Bezirksamt für Nationale Sicherheit (BAfNS), wie sich die Bezirksverwaltung nun nannte, wurde in dieser Zeit mit den ersten Entlassungen begonnen. Demoralisierung unter den Mitarbeitern war die Folge, denn es sickerte schnell durch, dass nicht alle volkseigenen Betriebe MfS-Mitarbeiter einstellen wollten. Generalmajor Wilfried Müller blieb Leiter des Bezirksamtes. Am 24. November gab er eine detaillierte Anweisung Erich Mielkes zur Vernichtung geheimpolizeilichen Schriftgutes unter höchster Geheimhaltung weiter. Die Kreisdienststellen, auch das Kreisamt Magdeburg und die Untersuchungshaftanstalt am Moritzplatz wurden aufgefordert, weitere Unterlagen zu vernichten bzw. bei Dunkelheit in das BAfNS zu transportieren.21 Dieses Schreiben wies auf zunehmende Erkenntnisse hin, dass Bürgergruppen die Aktivitäten der Kreisämter kontrollieren wollten. Derartige Kontrollbesuche ließen auch nicht lange auf sich warten, denn bereits am nächsten Tag stand in Wernigerode eine zehnköpfige Delegation des Neuen Forums vor der Tür und begehrte Einlass.22 Auf einer SED-Parteiversammlung am Vormittag in Magdeburg hatte der Leiter des Kreisamtes Oberst Kurt Stoye noch verkündet: „Ohne Kampf kein Sieg“ und hinzugefügt: „KD bereit zu kämpfen!“23 Die Vorbereitung auf zivile Besuche erschien jetzt immer wichtiger, denn am gleichen Tag planten die neuen oppositionellen Gruppen „Demokratischer Aufbruch“ und „Demokratie Jetzt“ eine Arbeitsgruppe „Stasi-Auflösung“ zu bilden.24 Die Leiter aller Bezirksämter der DDR wurden am 3. Dezember in Berlin von Wolfgang Schwanitz noch einmal instruiert: Gespräche mit Bürgern seien in kleinen Gruppen zu führen, die Kreisämter in der Zwischenzeit restlos zu räumen: „Nichts darf zurückbleiben, was zur Diskreditierung des Amtes für Nationale Sicherheit missbraucht werden könnte.“25

Auf dem Weg zur Bürgerkontrolle

Am 4. Dezember veröffentlichte die „Volksstimme“ einen Aufruf des Landessprecherrates des Neuen Forum zur Bildung von „Kontrollgruppen“. Der Chef der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei (BDVP), Generalmajor Albin Schneider, und der Leiter des BAfNS, Generalmajor Wilfried Müller, vereinbarten in diesem Zusammenhang vorsorglich, dass bei Bedarf ein oder zwei Kompanien der Volkspolizei für die Absicherung des Bezirksamtes zur Verfügung gestellt werden sollten. Gegen 19.00 Uhr wies Bezirkschef Müller die MfS-Kreisämter noch einmal an, die Objektsicherheit zu verstärken und Führungsgruppen zu bilden, die mit den Volkspolizei-Kreisämtern (VPKÄ) zusammenarbeiten sollten. Seine Sorge war nicht unbegründet. Das Neue Forum in Stendal kündigte zum Beispiel um 23.00 Uhr telefonisch an, ab Mitternacht drei Tage lang die Ein- und Ausgänge der Staatssicherheitsgebäude zu bewachen und zu fotografieren. Sie wollten damit den Zutritt für eine unabhängige Kontrolle erreichen. Am Abend des 4. Dezember war ihnen der Einlass noch verwehrt worden.26 Im KAfNS Wernigerode fanden bis Mitternacht Gespräche mit Besuchern statt: Anschließend wurden beim Rat des Kreises das Archiv und der Bereich Liegenschaften versiegelt.

Die Macht der SED zerfiel zusehends. Nach polnischem Vorbild waren von den unabhängigen Initiativen bereits „Runde Tische“ ins Auge gefasst worden. Auch in Magdeburg trafen sich Vertreter des Demokratischen Aufbruchs, von Demokratie Jetzt, der Sozialdemokratischen Partei, dem Neuen Forum und der Initiative für Frieden und Menschenrechte (IFM) am 4. Dezember 1989 in der Evangelischen Stadtmission .27 Am 5. Dezember wurde der „Runde Tisch“ des Bezirkes Magdeburg während einer Beratung über die wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage, zu welcher der Vorsitzende des Rates des Bezirkes, Siegfried Grünwald, alte und neue Parteien, staatliche Organisationen und die Kirchen eingeladen hatte, gegründet. Auf Einladung des amtierenden Oberbürgermeisters, Ernst Ullrich,28 trafen sich am gleichen Tag in der Stadt Magdeburg Vertreter von neugegründeten Initiativen und der beiden Kirchen mit dem Oberbürgermeister, dem Stellvertreter für Inneres, Dr. Werner Nothe, und dem Mitarbeiter in der Abt. Inneres für Kirchenfragen, Bernd Zürcher, im Rathaus. Es wurde beschlossen, auch einen „Runden Tisch“ der Stadt einzurichten. Dem Vorschlag von Norbert Bischoff, vom Koordinierungsausschuss der Katholischen Kirche, ein Bürgerkomitee (BK) zu benennen, welches Hinweisen auf Aktenvernichtung beim AfNS nachgehen sollte, stimmten die Anwesenden zu.29 Es wurden fünfzehn Kandidaten aufgelistet: Initiative für Frieden und Menschenrechte (6), Demokratischer Aufbruch (4), Katholische Kirche (2), Beratergruppe Dom (2), Sozialdemokratische Partei SDP (1).30 Wer dafür sorgte, dass zu diesem Treffen das Neue Forum, welches sich seit Wochen mit dieser Problematik auseinandersetzte, nicht anwesend war, bleibt bisher eine offene Frage.

Inzwischen wurde auch die Bezirksstaatsanwaltschaft „aktiv“. Am Nachmittag des 5. Dezember 1989 informierte Generalmajor Wilfried Müller die Leiter der KÄfNS, dass Bezirksstaatsanwalt Manfred Wagner die Kreisstaatsanwälte angewiesen habe, alle Räume der Stasi zu versiegeln, in denen Unterlagen zur Ablage gekommen waren.31 Im Magdeburger Bezirksamt selbst hatte bereits Lothar Kurth (NF) mit seinem Sohn und der Vertreterin einer anderen Initiative Auskunft zur Aktenvernichtung gefordert, allerdings zunächst vergeblich. In Havelberg rief der Staatsanwalt gegen 15.00 Uhr den Pfarrer der Stadtkirche an und bat ihn, eine Bürgergruppe zur Sicherung der Stasi-Akten einzuberufen. Diese fand u. a. im Keller des Kreisamtes viele Säcke mit geschreddertem Papier.32 Die Kontrollgruppe im Kreisamt Haldensleben fand wiederum nur noch weitgehend leere Räume vor.33 Der Druck durch die Demonstranten in Stendal und Klötze wurde an diesem 5. Dezember so groß, dass diese Kreisämter geräumt und von der Volkspolizei und dem Neuem Forum übernommen wurden. In Stendal mussten die MfS-Mitarbeiter von Mitgliedern der Kontrollgruppe durch die aufgebrachten Demonstranten aus dem Gebäude gebracht werden.34

Am Abend des 5. Dezember fand um 19 Uhr in der Magdeburger Stadthalle die Vollversammlung des Neuen Forums statt. Schon kurz nach Beginn teilte Lothar Kurth über Mikrofon seine Erfahrungen vom Nachmittag mit. Außerdem informierte er über Hinweise auf Aktenvernichtung beim AfNS. Die Anwesenden bildeten daraufhin sofort Kontrollgruppen und brachen gegen 21.00 Uhr zur SED-Bezirksleitung, zum Bezirksamt für Nationale Sicherheit im Magdeburger Kroatenweg sowie zur Schule der Zivilverteidigung auf und besetzten dort die Eingänge, um herausfahrende Fahrzeuge – oft gegen Widerstand – zu stoppen und zu kontrollieren. In die Gebäude gelangten sie nicht. Diese Bürger-Wachen wechselten sich regelmäßig ab.35 Trotzdem wurde am nächsten Morgen im BAfNS angewiesen, die sich noch in den Referaten befindlichen IM-Akten mit Ausnahme der schriftlichen Verpflichtung sowie der Quittungen für empfangene Gelder o. ä. zu vernichten. Der Zentrale Operativstab in Berlin notierte für den 6. Dezember in Magdeburg: „Im BAfNS fast normaler Arbeitsbetrieb. Es befanden sich keine Gruppierungen im Objekt.“36

Das sollte sich schnell ändern. Die am Vortag vorgeschlagenen Vertreter der Initiativen für das Bürgerkomitee erhielten am 6. Dezember 1989 um 13.00 Uhr ein vom amtierenden Oberbürgermeister unterzeichnetes Legitimationsschreiben. Die sechs Mitglieder des Neuen Forums, Wolfgang Zehen, Detlef Schmiedel, Christian Hartwig, Reiner Krauße, Thomas Etienne und Bernd Schullke, die bereits schon am BAfNS aktiv gewesen, aber bisher nicht nominiert waren, wurden auf ihre nachdrückliche Forderung schließlich durch Dr. Werner Nothe ebenfalls legitimiert.37 Die Komitee-Mitglieder brachen so gut wie unvorbereitet in kleinen Gruppen, später dann meist zu zweit, zu Kontrollen in den verschiedenen Stasi-Objekten auf. Es war vereinbart worden, zum Selbstschutz niemals allein zu gehen.

Auf Anordnung Mielkes vom 6. November begannen die Kreisdienststellen, ihren Bestand an dienstlichen Weisungen zu „reduzieren“. In der Bezirksverwaltung wurden Keller zur Aufnahme des Materials vorbereitet und „Möglichkeiten zur kurzfristigen Vernichtung“ geplant.14 Die Außenstellen der Post- und Paketkontrolle (außer im Postzollamt Schönebeck) wurden geschlossen . Das Material sollte, abgesehen von den Adressen der Beobachteten, vernichtet werden. Gleiches galt für die Materialien der Telefon- und Raumüberwachung (sog. Maßnahme 26A und 26B) sowie der Überwachungsmaßnahmen der Abt. VIII (Beobachtung, Festnahmen).15

Foto: Ehemalige BV am Kroatenweg heute

Beginn der Bürgerkontrolle und Schließung der Bezirksverwaltung

Scan Mitglieder des Bürgekomitees werden durch die Stadtverwaltung authorisiert

Damit begann ein monatelanger Prozess, der später von einigen als Katz- und Maus-Spiel, von anderen als Kampf gegen Windmühlenflügel erinnert wird. In die Kontrollen einbezogen wurden neben den Objekten des AfNS, der NVA, dem Fernmeldeamt und der Post später auch die Unterlagen der Abteilung Inneres beim Rat der Stadt38,die sich mit Ausreiseantragstellern befasst hatte. Drei Leute vom Neuen Forum fuhren zudem zur Staatssicherheits-Untersuchungshaftanstalt, vor der sich auf dem Moritzplatz rund 100 Demonstranten versammelt hatten. Sie erreichten an diesem Tag im Gespräch mit den dort noch Tätigen wenig, fanden aber Beweise für eine bereits erfolgte Aktenvernichtung.

Abends trafen sich alle BUK-Mitglieder gegen 17.00 Uhr in der Katholischen Propstei zur Auswertung.39 Hier zeigte Reiner Krauße40 ein Telex des Ministerrates vom Vormittag, welches er während einer gemeinsamen Autofahrt zu Kreisämtern vom dem inzwischen durch die Regierung eingesetzten Beauftragten für den Bezirk Magdeburg, Dr. Lothar Stranz, bekommen hatte. Die Anweisung lautete: „Die Regierung beauftragt den Leiter des Amtes für Nationale Sicherheit, die unberechtigt angelegten Dokumente unverzüglich zu vernichten. Das Vernichten hat unter Aufsicht von Beauftragten der Regierung, der örtlichen Staats- und Rechtspflegeorgane und gegebenenfalls Vertretern der Öffentlichkeit zu erfolgen.“41

Das Bürgerkomitee informierte telefonisch um 19.30 Uhr die BDVP und über Kontaktpersonen beim Neuen Forum die anderen DDR-Bezirke, u. a. Leipzig, so dass die Aktenvernichtung auch dort verhindert werden konnte. In Magdeburg begaben sich einige der BK- Mitglieder sofort mit Dr. Stranz zum BAfNS und trafen dort auf Generalmajor Wilfried Müller, den mit der Umstrukturierung des AfNS beauftragten Oberst Seidel sowie Vertreter der Staatsanwaltschaft und des Ministerium des Innern (MdI). Nach einer längeren und heftigen Diskussion wurde die Zusage gegeben, die Aktenvernichtung zu stoppen und alle Kreisämter bis zum 12. Dezember 1989 ,Magdeburg bis zum 14. Dezember, endgültig zu räumen. Die Waffen sollten bei der Volkspolizei, die Akten trotz großer Bedenken des Bürgerkomitees im Bezirksamt gelagert und durch die Staatsanwaltschaft versiegelt werden. Die seit dem 5. Dezember vor dem Haupttor zum Bezirksamt wartenden Menschen, die die Ein und Ausfahrten beobachteten, wurden über die Vereinbarung informiert. Die Beräumung der Kreisämter Klötze und Stendal wurde bereits am nächsten Tag abgeschlossen.42

Am 8. Dezember 1989 verhandelten einige Bürgerkomitee-Mitglieder in der Zeit von 14.00 bis 22.00 Uhr mit dem Leiter des Bezirksamtes und weiteren Offizieren über die Einstellung der MfS-Arbeit. Da sie den Eindruck hatten, „dass die Fragen nur zögernd und unvollständig beantwortet wurden“ und es schien, „dass der Ernst der gegenwärtigen politischen Situation ihrem Gegenüber gar nicht klar war“, forderten sie, das gesamte Bezirksamt innerhalb von 24 Stunden zu schließen. Andernfalls würden sie die Vermittlung mit der aufgebrachten Bevölkerung vor dem Eingang zum Bezirksamt einstellen. Nach Rücksprache mit Berlin teilte der Regierungsbeauftragte Dr. Lothar Stranz schließlich mit, dass Hans Modrow der Schließung zugestimmt hätte.43 Ab 21.45 Uhr überwachten Angehörige der Volkspolizei und Bürgerkomitee-Mitglieder sowie weitere Bürger Tag und Nacht alle bekannten Objektzugänge und die Siegel. Bis Montag, den 11. Dezember, sollten alle Stasi-Mitarbeiter aus den Gebäuden ausgezogen sein und dann der gesamte Komplex verschlossen werden, bis am 20. Dezember die Volkskammer über die endgültige Auflösung des AfNS beschließen würde. Dem Bürgerkomitee wurde zugesichert, dass keine Akten mehr vernichtet würden, bevor eine Untersuchungskommission diese geprüft hätte. Aufgefordert von Reiner Krauße stellte der 1. Stellvertreter des Bezirksstaatsanwaltes, Thiele, an diesem Abend Strafanzeige gegen Unbekannt „wegen unerlaubten Verstoßes gegen das Postgeheimnis und Eingriffe in das Fernmeldenetz“.44

Dem Bürgerkomitee wurde am 12. Dezember 1989 im Rathaus ein Büro bewilligt, in welchem Sprechstunden, anfangs täglich von 8.00 bis 20.00 Uhr, stattfanden, die zu zahlreichen Hinweisen aus der Bevölkerung zum Thema Stasi und Machtmissbrauch durch die Staatsorgane führten.

Zum Umgang mit den Akten

Gemeinsam mit der Volkspolizei und Staatsanwaltschaft wurden die Siegel der bereits gesicherten Bestände auf Unversehrtheit geprüft. Je nach Möglichkeit hielt das Bürgerkomitee zwischen all seinen Aktivitäten auch den Kontakt zu den Bürgerkomitees der Kreise und anderen Kontrollgruppen, wie dem Bürgerkomitee der Medizinischen Akademie Magdeburg.

Aufgefordert durch das Bürgerkomitee Magdeburg berichteten einige Mitarbeiter des BAfNS (Abt. XVIII, Abt. XIX, Abt. XX) am 13. Dezember 1989 im Rathaus vor Mitgliedern des Bürgerkomitees und dem Regierungsbeauftragten über ihre Arbeit.45 Während dieser Anhörung wurde auf Vorschlag von Dr. Stranz „im Auftrag der Regierung“ festgelegt, eine Untersuchungskommission zu berufen, welche anhand der Akten die Arbeit des MfS überprüfen sollte.46 Die Mitglieder wurden am 19. Dezember durch das Bürgerkomitee und die Regierungskommission benannt. Der Vorschlag zur personellen Besetzung von Dr. Lothar Stranz47, bei dem die staatlichen Vertreter dominiert hätten, wurde jedoch nicht angenommen. Statt dessen wurde eine, Zusammensetzung beschlossen, nach der die Staatsseite in der Minderheit war und Bürgerbewegung und Kirchenvertreter ebenso stark vertreten waren. 48

Am 20. Dezember 1989 berichtete MfS-Oberst Bernd Fischhaber, inzwischen amtierender Leiter des Bezirksamtes, am Runden Tisch des Bezirkes über den Stand der Auflösung des Bezirksamtes und Pläne zur Installierung eines Verfassungsschutzes.49 Besonders letzteres stieß beim Bürgerkomitee Magdeburg auf Ablehnung.50 Tags darauf, am 21. Dezember 1989, tagte zum ersten Mal die am 19. Dezember benannte „Kommission zur Sichtung von Akten sowie Daten-, Ton- und Bildmaterial im ehemaligen AfNS“, kurz Akten-Kommission genannt. Ein Mitglied war Dr. Detlef Hammer, ein Jurist des Konsistoriums der Evangelischen Kirchenprovinz Sachsen. Wie sich 1991 entpuppte, war er beim MfS als IM „Detlef“, dann IM „Günther“ und zusätzlich noch als OibE registriert gewesen.51 Nach Erinnerungen einiger Bürgerkomitee-Mitglieder kamen von ihm Empfehlungen zur teilweisen Aktenvernichtung. Die unterschiedlichen Auffassungen in der Kommission zum Umgang mit den MfS-Unterlagen reichten von der vollständigen Aufbewahrung bis zur Vernichtung von Schulungsmaterialien, aber auch von Vorgängen zu Inoffiziellen Mitarbeitern (IM), Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit (GMS) und Operativen Vorgängen (OV).52 Mit den Bürgerkomitees Rostock, Schwerin und Potsdam einigte sich das Bürgerkomitee Magdeburg bei einem Treffen in Schwerin am 1. Weihnachtsfeiertag darauf, die Akten bis zu einer gesetzlichen Regelung vollständig zu sichern und aufzubewahren. Dem entgegen stand ein Entwurf der Magdeburger Akten-Kommission vom 28. Dezember 1989 für einen Vorschlag zum Umgang mit den Akten, der vermutlich vom Regierungsbeauftragten Dr. Lothar Stranz stammte. Dieser sah unter anderem die Vernichtung der IM-Personalakten vor, was aber beim Bürgerkomitee auf Ablehnung stieß.53

Nach dem zentralen Treffen der Bürgerkomitees am 4./5. Januar 1990 in Leipzig beschloss das Bürgerkomitee Magdeburg am 7. Januar 1990 noch einmal, die MfS-Unterlagen vollständig aufzubewahren. Die Akten-Kommission positionierte sich nach dem Beschluss des Bürgerkomitees dann ebenfalls in diesem Sinne und legte nach mehreren Entwürfen am 17. Januar 1990 einen detaillierten Vorschlag zum Umgang mit dem Aktenbestand des MfS vor. Grundsätzlich sollte alles Material bis zur Verabschiedung entsprechender Gesetze nach freien und demokratischen Wahlen auf dem Gelände der ehemaligen BV von der Volkspolizei gesichert, aufbewahrt werden. Der weitere Umgang sollte nach Sichtung sorgfältig geprüft werden.54 Zugestimmt wurde dem Abtransport des bereits durch Verkollerung oder Reißwölfe vorvernichteten, nicht mehr lesbaren Materials. Bürgerkomitee-Mitglieder beaufsichtigten die Umlagerung der Aktenbestände und trugen monatelang die Unterlagen in geeignetere Räumlichkeiten.55

Der Direktor des Staatsarchivs Magdeburg, das seit 1952 auch für die Unterlagen des Bezirkes Halle (Saale) zuständig war, Dr. Rudolf Engelhardt, hatte sich bereits am 18. Dezember schriftlich an den Regierungsbeauftragten gewandt und um Mitarbeit in der Aktenkommission gebeten. Seine Haltung geht aus einem Positionspapier vom 3. Januar 1990 hervor. Dort schlug er die Sichtung und Bewertung der Akten des BAfNS Halle durch Mitarbeiter des Staatsarchivs vor und legte einen umfangreichen Vernichtungsvorschlag vor.56 Dem stimmte das Bürgerkomitee jedoch nicht zu. Die Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Magdeburg gestaltete sich insgesamt schwierig. Großes Misstrauen bestand von Anfang an, da eine MfS-Verflechtung vermutet wurde. Die Auffassung, dass aber spezielle Kenntnisse für eine fachgerechte Archivierung der MfS-Unterlagen benötigt würden, setzte sich jedoch durch. Das Bürgerkomitee stimmte letztlich der Anstellung von sieben MfS-Mitarbeitern als Archivaren im Staatsarchiv Magdeburg zu.57

Nicht nur die Sicherung der Aktenbestände war für das Bürgerkomitee wichtig. Neben dem Fortbestehen der internen Fernsprechverbindungen im staatlichen Bereich, zum Beispiel zwischen Volkspolizei und der ehemaligen Staatssicherheit, sah das Bürgerkomitee große Probleme hinsichtlich der Waffenabgabe und des Fahneneides der Stasi-Mitarbeiter. Am 27. Dezember 1989 wandte es sich deshalb über die Presse mit einem Aufruf an die ehemaligen Mitarbeiter, die Auflösung des Geheimdienstes durch Auskünfte zu unterstützen.58 Dieser Aufforderung kam trotz mehrmaliger dringlicher Wiederholung keiner der ehemaligen MfS-Angehörigen nach.

Konflikte im ersten Halbjahr 1990

Der Runde Tisch Magdeburg legalisierte am 2. Januar die Weiterarbeit des Bürgerkomitees „bis auf Widerruf“ , die zunächst durch den Rat der Stadt nur bis zum 31. Dezember 1989 befristet worden war. Das so gestärkte Bürgerkomitee kritisierte in einer Presseerklärung am 10. Januar die schleppende und undurchsichtige Auflösung des BAfNS und forderte u. a. die schnellstmögliche Verabschiedung eines Rehabilitierungsgesetzes, die Schaffung entsprechender Gerichte sowie die Beendigung der Kampagne zur Schaffung eines neuen Geheimdienstes, auf jeden Fall aber keine Übernahme von Stasi-Mitarbeitern.59

Das Dessauer Bürgerkomitee ließ am 31. Januar 1990 Kampfgruppen-Waffen öffentlich vernichten.60 Am gleichen Tag forderte auch das Bürgerkomitee Magdeburg mit dem Aufruf „Schwerter zu Pflugscharen - Stasi-Waffen zu Pflugscharen“ zum wiederholten Mal die restlose Vernichtung der Waffen des AfNS und der inzwischen aufgelösten Betriebskampfgruppen. Die Waffen sollten in der Stahlgießerei Magdeburg-Rothensee eingeschmolzen werden. Da die Forderung nicht erfüllt wurde, forderte das Bürgerkomitee am 1. März 1990 schriftlich bei der Arbeitsgruppe Sicherheit des Zentralen Runden Tisches in Berlin, die Waffen in der Waffenwerkstatt des Innenministeriums in Schönebeck/Elbe vernichten zu lassen.61

Mit Beschluss vom 8. Februar 1990 traf der Ministerrat neue Anordnungen für die Stasi-Auflösung und zum Umgang mit den MfS-Unterlagen. Er unterstellte die Auflösung drei Regierungsbevollmächtigten und setzte ein „Komitees zur Auflösung des ehemaligen AfNS“ ein. Das Bürgerkomitee kritisierte umgehend und scharf diese geplante Herangehensweise mit einer Presseerklärung . Denn der Beschluss sah u. a. die Beendigung der Bürgerkomiteetätigkeit bis zum 1. März 1990 vor. Danach sollte das staatliche Komitee mit seiner Arbeit beginnen, „und die Verfügungsgewalt über die sichergestellten Akten allein der Staatsanwaltschaft übertragen“62 werden. Der Regierungsbeauftragte Dr. Stranz unterstützte den Protest gegen die Übergabe der Unterlagen.63 In Folge derartiger Proteste beschloss die Regierung zum 1. März 1990 eine Verordnung, die den Bürgerkomitees und Bürgerinitiativen ein zeitlich begrenztes gesellschaftliches Engagement zugestand und deren Arbeit einen rechtlichen Rahmen gab.64

Mehrheitlich lehnte das Bürgerkomitee Magdeburg auch die Vernichtung elektronischer Datenträger der Staatssicherheit ab. Als der diesbezügliche Ministerratsbeschluss vom 26. Februar 1990 in Magdeburg bekannt wurde65, drohten einige BK-Mitglieder am 27. Februar per Presseerklärung an, nach und nach die Namen hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter zu veröffentlichen, wenn dieser Beschluss in die Tat umgesetzt würde.66 Diese Erklärung zog bereits am nächsten Tag wütende Leserbriefe in der „Volksstimme“ nach sich, in denen kritisiert wurden , dass die Stasi-Mitarbeiter und ihre Familien „nach mittelalterlichen Methoden an den Pranger gestellt werden“67. Das Bürgerkomitee nahm das Vorhaben, die Namen zu veröffentlichen, zeitgleich, am 1. März, in der „Volksstimme“ zurück, blieb aber bei seiner Forderung: „Das Bürgerkomitee des Bezirkes Magdeburg ist nicht einverstanden mit der Vernichtung irgendwelcher Datensammlungen des MfS.“68 Eines der BK-Mitglieder, die die Namensnennungen geplant hatten, verließ aus Protest gegen die Rücknahme dieser Entscheidung das Komitee.69 Es erstattete über den Stadtstaatsanwalt Magdeburgs, Norbert Studzinski, Anzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft wegen der Vernichtung von Beweismaterialien gegen MinisterpräsidentHans Modrow, da Anweisungen zur Akten- und Datenträgervernichtung seine Unterschrift trugen.70

Wenig später ging am 12. März 1990 beim Bürgerkomitee ein anonymes Fernschreiben ein. Mit dem Hinweis auf die Ankündigung der Namens-Veröffentlichung enthielt es eine Morddrohung gegen neun Mitglieder des Bürgerkomitees und gegen Hans-Jochen Tschiche (Neues Forum). Unterschrieben war es von einer „Bürgerinitiative Frieden und Menschenrechte“. Die Anzeige, die das Bürgerkomitee daraufhin am 13. März 1990 bei der Volkspolizei erstattete, erbrachte kein Ergebnis.71

Auf Beschluss der Runden Tische des Bezirkes und der Stadt Magdeburg sowie des Bürgerkomitees sollte die Auflösung des gesamten MfS zehn Tage vor der Volkskammerwahl vom 8. März 1990 abgeschlossen sein.72 Bis Mitte März 1990 waren so gut wie alle Stasi-Mitarbeiter entlassen. Der Abschlussbericht des Regierungsbeauftragten, Dr. Lothar Stranz, vom 15. März, der vom Bürgerkomitee erst nach eingefügten ausführlichen kritischen Bemerkungen unterschrieben wurde, machte viele Defizite deutlich. Besonders wurde dabei die Tatsache kritisiert, dass die hauptamtlichen Mitarbeiter des AfNS nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden worden waren. In dieser Frage und bei der Forderung der Waffenvernichtung waren die Forderungen vergeblich geblieben. Im Bericht wurde schließlich auch deutlich gemacht , dass das Bürgerkomitee an der Auflösung von Bereichen der Spionageabteilung, der Abteilung XV der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) und der Funkaufklärung (Abt. III) nicht beteiligt war.73 Dies galt insbesondere für die sogenannte „Sicherstellung von Daten, Bild und Tonmaterial“, die die Regierung angeordnet hatte, was faktisch zur weitgehenden Vernichtung dieser Materialien führte.74 Der letzte Satz der Zusatzbemerkungen zum Abschlussbericht lautete: „Die zur Verfügung stehende Zeit hätte eine verlustlose, schnelle Auflösung des ehemaligen MfS/ANS gestattet, wenn seitens der Regierung dazu der Wille vorhanden gewesen wäre.“75

Als das Staatliche Komitee zur Auflösung des AfNS laut Ministerratsbeschluss am 1. März gegründet und der Arbeitsstab in Magdeburg eingerichtet wurde, übernahm auf Vorschlag von Dr. Stranz der Bürgerrechtler Harald Wernowsky die Leitung. Auf dessen Vorschlag wurden erst Wolfgang Thalheim, dann Bernhard Notheis seine Stellvertreter, alle drei waren Mitglieder des Bürgerkomitees.76 Das Bürgerkomitee-Mitglied Walburga Edel arbeitete im Parlaments-Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des MfS/AfNS mit, den die neu gewählte Volkskammer am 7. Juni 1990 einrichtete. t.

Bis zum 30. Juni 1990 war die Arbeit der Bürgerkomitees durch die Regierungsbevollmächtigten eigentlich legitimiert. Doch durch das Staatsarchiv, welches schließlich nach dem Beschluss der neuen Regierung De Maiziere/Diestel vom 16. Mai 1990 mit der Sicherung der Akten beauftragt worden war, wurde die Arbeit des Bürgerkomitees und der Aktenkommission immer stärker eingeschränkt. Daher sah sich das Bürgerkomitee am 2. Juli 1990 veranlasst, dagegen vorzugehen und beschloss, dass das Archivgut verschlossen bleiben sollte, „bis eine ständige gesellschaftliche Kontrolle möglich ist“.77 Diese war nicht mehr gewährleistet, da das einzig verbliebene Bürgerkomitee-Mitglied nicht in der Lage war, acht übernommene AfNS-Archivare zu kontrollieren.78 Die Übrigen wurden nicht mehr von ihren Betrieben freigestellt.

Der Bürgerkomitee-Verein und die Entwicklung nach dem 3. Oktober

Das Mandat des Bürgerkomitees war Ende Juni ausgelaufen , aber die Probleme hörten nicht auf. Deshalb gründete sich das Bürgerkomitee Magdeburg bereits Anfang Juli 1990 als Verein.79 Vorsitzender wurde Jürgen Vogel. Der Verein gehörte zu den sieben Bürgerkomitees, die die Volkskammer der DDR am 9. September 1990 aufforderten, das Aktengesetz vom 24. August 1990 und das Rehabilitierungsgesetz vom 6. September 1990 in den Einigungsvertrag zu übernehmen.80 Mit einer Mahnwache und Unterschriftenaktion vor der ehemaligen MfS-Bezirksverwaltung am Magdeburger Kroatenweg unterstützte der Verein am 10. September 1990 81 die Besetzer des Berliner Stasi-Archivs und die Hungerstreikenden in Leipzig. Dies wollten verhindern , dass die MfS-Unterlagen nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 dem Bundesarchiv unterstellt und damit einer langen Sperrfrist unterworfen würden.

Am 9. Oktober 1990 zog der Verein in einer Presseerklärung eine kritische Bilanz. Unter anderem wurde beklagt, dass das Bürgerkomitee eine umfassende Kontrolle der Auflösung des ehemaligen MfS im Bezirk nicht erreichen konnte und viele Kreisdienststellen sowie zentrale Diensteinheiten weitgehend ohne Kontrolle des Bürgerkomitees aufgelöst wurden. Weiterhin wurde bedauert, daß trotz eines gegenteiligen Beschlusses des Runden Tisches „haftspezifische Einrichtungen der Untersuchungshaftanstalt Moritzplatz entfernt wurden“; dass durch Einschränkungen bei der Akteneinsicht beispielsweisekonspirative Wohnungen, sowie die Verflechtungen zwischen SED und MfS nicht restlos aufgeklärt werden konnten;die Hauptschuldigen nicht zur Verantwortung gezogen wurden und „daß auf Grund der Art und Weise der Behandlung der Problematik des Umganges mit dem Schriftgut durch Regierung und Parlament der Eindruck entstanden ist, als ob der Datenschutz für die Täter über die berechtigten Interessen der Opfer gestellt werden sollte.“82

Die Mitarbeiterin des Bürgerkomitees im Sonderausschuss der Volkskammer, Walburga Edel, übernahm nach der Vereinigung vom 3. Oktober 1990 in Magdeburg die Leitung der Außenstelle der neuen Stasiunterlagen-Behörde. Weitere Bürgerkomitee-Mitglieder erhielten, bis auf ein kurzes Intermezzo von September bis November 1990 als Angestellteder Bezirksverwaltungsbehörde Magdeburg, keine Beschäftigung in der Außenstelle. Drei ehemalige MfS-Mitarbeiter wurden hingegen noch einige Zeit in der Bundesbehörde weiter beschäftigt.83

Die Auseinandersetzungen um das Thema „Staatssicherheit“ waren bei Weitem noch nicht beendet. Am 10. November 1990 eröffneten das Bürgerkomitee und der Verein „Memorial Magdeburg“ eine erste Ausstellung mit dem Titel „Stasi in Magdeburg“ im Zellentrakt der ehemaligen MfS-Untersuchungshaftanstalt am Moritzplatz. Vor dem Gebäude hatte es bereits am 11. März 1990 eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Stalinismus mit Zeitzeugenberichten stattgefunden.

Foto in Arbeit

Am 13. Dezember 1990 beschloss die Stadtverordnetenversammlung Magdeburgs die Einrichtung einer Gedenkstätte auf dem Grundstück der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des MfS. Ab Anfang Januar 1991 begannen dort zwei Mitarbeiterinnen im Auftrag der Stadt mit der Gedenkstättenarbeit. Das Bürgerkomitee führte seine Bürgerberatung weiter im Rathaus durch. Im Januar 1992 begann es mit der Einrichtung eines Dokumentationszentrums über den Machtmissbrauch durch SED und MfS im Vorderhaus der ehemaligen MfS-Untersuchungshaftanstalt (Vernehmertrakt). Beide Einrichtungen sind dort bis heute noch neben der Vereinigung der Opfer des Stalinismus in Sachsen-Anhalt, der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt und dem Jugendzentrum „Knast“ tätig.

Anmerkungen

1 Der Beitrag entstand im Wesentlichen bereits 2005/6 in Absprache mit mehreren Bürgerkomitee-Mitgliedern, denen ich herzlich danke. Er wurde für diese Ausgabe 2019 gekürzt und überarbeitet.

2 Beide gehörten zu der Initiativgruppe, die am 9. September den legendären Aufruf des NF in Grünheide unterzeichnet hatten. Näheres zu Erika Drees in den Jahren 1989/90 vgl. Ahrberg, Edda: Erika Drees geborene von Winterfeld. Ein politischer Lebensweg 1935 bis 2009, Edition Zeit-Geschichte(n) Band 4, Hasenverlag, Halle (Saale) 2012, S. 144-173.

3 Auch am 7.10.1989 lösten Volkspolizei und MfS in Magdeburg unter Gewalt-Anwendung eine Gruppe Jugendlicher auf, die sich zu einem Konzert zusammengefunden hatten. Hier wurden zahlreiche Jugendliche „zugeführt“, weitere Personen im Stadtzentrum. Ebd., S. 77ff.

4 BV Magdeburg, Lageberichte, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, AKG Nr. 247, Bl. 293.

5 Beratergruppe Dom des Gebetes um gesellschaftliche Erneuerung (Hg.) 1991, S. 110f.

6 Vorschlag zur Auszeichnung, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, KD Magdeburg Nr. 5010, Bl. 8. Dr. Werner Nothe wurde erst am 22.6.1990 durch Journalisten als OibE enttarnt. Vgl. Schullcke, Bernd: IM „Volkszorn“. Chronologie, in: 1989/90: Auflösung der DDR-Staatssicherheit, Leipzig 2004, S. 53.

7 BV Magdeburg, Lageberichte, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, AKG Nr. 247, Bl. 213.

8 Zu den Vorgängen in Stendal vgl. Ahrberg, Edda; Erika Drees, geborene von Winterfeld. Ein politischer Lebensweg 1935 bis 2009  Halle/Saale 2012, S. 143-160.

9 BV Magdeburg, Lageberichte, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, AKG Nr. 247, Bl. 157. Ein Ordnungsstrafverfahren wurde eingeleitet.

10 Vgl. Ahrberg, Edda; Erika Drees, geborene von Winterfeld. Ein politischer Lebensweg 1935 bis 2009  Halle/Saale 2012, S. 149f.

11 „Der Neue Weg“ gibt am 25.10.1989 für den 23.10.1989 ca. 30 bis 40000 Demonstranten (ca. 13,77% der Bevölkerung) an.

12 Cfs 6427 Erich Mielkes, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, Leiter Nr. 4, Bl. 81-86.

13 Einsatzkonzeption des BV-Leiters zur Durchsetzung der Ordnung 12/89 des Ministers vom 3.11.1989, in: Pechmann, Roland; Vogel, Jürgen: Abgesang der Stasi. Das Jahr 1989 in Presseartikeln und Stasi-Dokumenten, Braunschweig 1991, S. 309-311.

14 Handschriftlich Aufzeichnungen über die Beratung mit dem BV-Leiter am 7.11.1989, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, Leiter Nr. 7 (Arbeitsbuch, Name gelöscht), Bl. 24-28.

15 Henke: Handschriftlich Notizen über die Besprechung der Abt. XX am 10.11.89, in: BStU, BV MD, Abt. XX Nr. 1684, Bl. 117.

16 Handschriftlich Aufzeichnungen, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, Leiter Nr. 7 (Arbeitsbuch, Name gelöscht), Bl. 32.

17 Protokoll der Beratung am 14.11.1989, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, KD Gardelegen Nr. 1, Bl. 20-24.

18 Aus überregionbalen Zusammenhängen wird deutlich, dass man diese Führungspunkte in den Händen der Armee für sicherer hielt. BAfNS in Auflösung: Bericht zum Stand der Auflösung des ehemaligen BAfNS Magdeburg vom 20.1.1990, in: Bürgerkomitee Magdeburg (BK MD), Ordner: „Auflösung Magdeburg 1“.

19 Handschriftlich Aufzeichnungen, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, Leiter Nr. 7 (Arbeitsbuch, Name gelöscht), Bl. 34.

20 Rapport Nr. 324/89 von Montag 20.11.1989,6.00 Uhr, bis Dienstag 21.11.1989, 6.00 Uhr, in: BStU, MfS, HA VIII, AKG Nr. 1672, Bl. 213, 221.

21 GVS 324/89 vom 24.11.1989: „Maßnahmeplan zur Durchsetzung der GVS 26/89 des Leiters des AfNS über die Reduzierung des Bestandes registrierter Vorgänge und Akten sowie weiterer operativer Materialien und Informationen“, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, Leiter Nr. 4, Bl. 70-77.

22 Informationsbericht vom 27.11.89, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, AKG Nr. 4, Bl. 39.

23 Versammlung der GO 117 der BV am 25.11.1989, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, Abt. XX Nr. 3234 (Handschriftlich Notizen v. Doberstein), Bl. 57.

24 Ruden, Gerhard: Tagebuch (Abschrift), in: BK MD, Ordner: „Tagebuch Ruden“.

25 Beratung von Gen. Schwanitz mit den Leitern der BÄ am 3.12.1989, in: BStU, MfSIG 7528, Bl. 9-39.

26 Rapport 239/89 ODH BDVP, in: LHASA, Rep. M24 BDVP Magdeburg 1975-1990, Nr. 17224, o. Pag.

27 Vgl. Ruden, Gerhard: Tagebuch (Abschrift), in: BK MD, Ordner: „Tagebuch Ruden“.

28 Oberbürgermeister Werner Herzig war am 8.11.1989, zwei Tage nach einem Forum der Demonstranten auf dem Alten Markt, zurückgetreten.

29 Vgl. Ruden, Gerhard: Tagebuch (Abschrift), in: BK MD, Ordner: „Tagebuch Ruden“.

30 Wernowsky, Harald: Bürgerkomitee Magdeburg, in: Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt e.V. (Hg.): Die Auflösung des MfS. Die Arbeit der Bürgerkomitees in den Bezirken 1989/90. Magdeburg 1998, S. 34-38. Die Namen der später insgesamt 21 Mitglieder finden sich in: Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 58.

31 Cfs 5016 am 5.12.1989 15.43 Uhr, in: BStU, MfS, BV Magdeburg, Leiter Nr. 4, Bl. 68.

32 Wolff, Ulrich N.: 17x Friedensgebet. Havelberg 1989, in: Hellmuth, Jörg; Miesterfeldt, Gerhard (Hg.): Herbst 1989. Erinnerungen an eine bewegte Zeit. Magdeburg 2000, S. 28.

33 Borchert, Hans-J. (Hg.): Die Wende im Grenzkreis Haldensleben, Haldensleben 1990, S. 10. (Sammelband).

34Vgl. Zeigerer, Martin: Erinnerungen; Dr. Franke, Joachim: Eine bewegte Zeit, in:Hellmuth, Jörg; Miesterfeldt, Gerhard (Hg.): Herbst 1989. Erinnerungen an eine bewegte Zeit, Magdeburg 2000, S. 98f u. 114f. (Sammelband).

35 Wernowsky, Harald: Aktennotiz, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 2“.

36 Zentraler Operativstab: Bericht zur sicherheitspolitischen Lage in der Hauptstadt und in den Bezirken der DDR im Zeitraum vom 6.12.1989 zum 7.12.1989 am 7.12.89, in: BStU, MfS ZKG 128, Bl. 67.

37 Dr. Werner Nothe wurde am 14.12.1989 zum neuen Oberbürgermeister Magdeburgs gewählt.

38 Die Versiegelung der Unterlagen zu Ausreiseantragstellern wurde auf Vorschlag eines NF-Mitgliedes in allen Stadtbezirken/Abt. Inneres in Magdeburg am 5.2.1990 vorgenommen.

39 Wernowsky, Harald: Aktennotiz, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 2“.

40 Neues Forum, Sozialarbeiter bei der Offenen Arbeit des Evangelischen Kirchenkreises Magdeburg.

41 Ministerrat der DDR: Fernschreiben am 7.12.1898 um 11.00 Uhr, in: Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 59.

42 Vogel, Jürgen: Studie Bürgerkomitee SDP zur Auflösung des MfS, späteres Amt für Nationale Sicherheit am 17.12.1989, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 2“.

43 Vgl. Wernowsky 1998, S. 36f.

44 Vgl. Mitteilung des BK der Stadt Magdeburg vom 8./9.12.1989, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 2“. Am 4.1.1993 wurden Generalmajor Wilfried Müller, Oberst Heinz Hille (1.Stellv., Oberstleutnant Wolfgang Theile (Abt. M) und Oberstleutnant Hans-Jürgen Richter (Abt. 26) vom Landgericht Magdeburg verurteilt. Der BGH hob das Urteil am 9.12.1993 auf. Vgl. Ahrberg, Edda;Bock,Torsten: Die Post- und Telefonkontrolle durch die Staatssicherheit im Bezirk Magdeburg. Der Prozess gegen die verantwortlichen Staatssicherheitsoffiziere, Magdeburg 1993.

45 Lagezentrum AfNS, Lagefilm 347/89 vom 13.12.89 6.00 Uhr bis 14.12.89 6.00 Uhr, in: BStU, MfS, ZKG 127, Bl. 82f.

46 Zum Umgang mit sichergestelltem Aktenmaterial, „Volksstimme“ vom 15.12.1989, in: Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 50.

47 BK (1), Staatsanwaltschaft (2), BDVP (2)

48Regierungskommission (1), Staatsanwaltschaft (2), BDVP (2), Rechtsanwalt (1), Bürgerkomitee (2), Vertreter der Evangelischen und Katholischen Kirche sowie des Neuen Forum. Vorschläge zur Arbeit der Kommission; BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 1“. Vgl. auch Wernowsky 1998, S. 38f.

49 Ruden, Gerhard: Mitschrift über die Sitzung am 20.12.1989, in: BK MD Ordner: „Tagebuch Ruden“.

50 Lagezentrum Berlin: Kurzinformation Magdeburg am 3.1.1990, in: BStU, MfSIG Nr. 13864, Bl. 101f.

51Detlef Hammer wurde am 3.5.1990 Konsistorialpräsident und kam in der Nacht zum 3.4.1991 unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen ums Leben. Als OibE enttarnt wurde er nach seinem Tod am 7.8.1991. Vgl. Schultze, Harald; Zachuber, Waltraut: Spionage gegen eine Kirchenleitung. Detlef Hammer – Stasi-Offizier im Konsistorium Magdeburg, Magdeburg 1994.

52 Lagezentrum Berlin: Berichterstattung zur angewiesenen Auflösung der Kreis- und Bezirksämter des AfNS, in; BStU, MfSIG Nr. 13864, Bl. 199, 218.

53 Kommission zur Sichtung von Akten sowie Daten-, Ton- und Bildmaterial im ehemaligen AfNS Magdeburg: Vorschlag zum Umgang mit dem sich im ehemaligen Amt für Nationale Sicherheit befindlichen Schriftgut (Entwurf) am 28.12.1989, in: BK MD, Ordner „Auflösung 1“.

54 Vorschlag zum Umgang mit dem sich im ehemaligen AfNS Magdeburg befindlichen Schriftgut, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 1“. Vgl. auch: „Der Neue Weg“ am 20.1.1990: Zum Umgang mit dem Schriftgut im ehemaligen ANS Magdeburg, in: Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 85.

55 Die BStU-Außenstelle Magdeburg gibt mit Stand 31.12.2018 einen Bestand von 6.822 lfd. M Akten bzw. Dokumenten als personenbezogen zur Beauskunftung nutzbar und 2.481 Behältnisse vorvernichtetes, immer noch nicht erschlossenes Material an. Vgl. Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Tätigkeitsbericht 2018/19 der Aufarbeitungsbeauftragten, S. 76.

56 Staatsarchiv Magdeburg, Direktor Dr. Engelhardt: Positionspapier zu Fragen der Sicherung, Bewertung und weiteren Verwendung des bei der ehemaligen BV MfS Halle entstandenen Schriftgutes vom 3.1.1990, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 1“. Kurz vor Weihnachten 1990 wurde Engelhardt von seiner Funktion „überraschend“ abberufen. Schon lang andauernde IM-Vorwürfe und ein „autoritärer“ Führungsstil hatten wohl dazu beigetragen.

57 Bürgerkomitee Magdeburg: Schreiben an die Staatliche Archivverwaltung Potsdam am 6.4.1990, in: BK MD, Ordner „Schreiben des BK, Schreiben an das BK“.

58 BK: Aufruf am 27.12.1989, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 2“. Der Aufruf wurde unter der Überschrift „Es gilt, wieder Vertrauen zu schaffen“ am 29.12.1989 in „Der Neue Weg“ veröffentlicht.

59 BK: Presseerklärung am 10.1.1990, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 2“.

60 Vogel, Jürgen: Magdeburg Kroatenweg. Chronik des Bürgerkomitees zur Auflösung der Stasi. Braunschweig-Magdeburg 1991, S. 41; Wikipedia: „Friedensglocke Dessau“, eingesehen am 8.10.2019.

61Inzwischen war bekannt geworden, dass dort Maschinengewehre der Kampfgruppen vernichtet und in der Stahlgießerei eingeschmolzen worden waren. BK: Aufruf und Forderung „Schwerter zu Pflugscharen. Stasi-Waffen zu Pflugscharen“ und Schreiben an die Beratergruppe Sicherheit des Zentralen Runden Tisches am 1.3.1990, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 2“; „Aus Waffen Schrott“, in: „Volksstimme“ am 3.3.1990; vgl. auch Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 130.

62 Vgl. „Kritik vom Bürgerkomitee“, in: „Volksstimme“ am 10.2.1990; Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): „Was im Herbst begann“, Magdeburg 1994, S. 109.

63 Dr. Lothar Stranz: Erklärung am 15.2.1990, in: Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.), Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 128.

64 Vorsitzender des Ministerrates der DDR: Verordnung über die Tätigkeit von Bürgerkomitees und Bürgerinitiativen am 1.3.1990, in: Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 138-141.

65 Vgl. FS am 27.2.1990, in: BK MD, Ordner: „Info-Material“, Fernschreiben.

66 „Bürgerkomitee teilt mit“, in: „Volksstimme“ am 28.2.1990.

67 Inge Schulz: Leserbrief, in: „Volksstimme“ am 1.3.1990.

68 „Mitteilung der Bürgerkomitees [sic.]“, in: „Volksstimme“ am 1.3.1990.

69 Vgl. „Volksstimme“ am 28.2., 1.3.1990 und Schullcke 2004, S. 52f.

70 Meldung mit Foto in der DAZ am 14.3.1990. Vgl. Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt (Hg.): Was im Herbst begann, Magdeburg 1994, S. 130.

71 FS vom 12.3.1990, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 2“. Vgl. Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 146.

72 „Forderung und Protest des Magdeburger Runden Tisches“, in: „Volksstimme“ am 2.2.1990; Vgl. Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 107.

73 Auf die Brisanz der Einrichtungen auf dem Brocken (HA III) hatte das Bürgerkomitee die AG Sicherheit des Runden Tisches schon Anfang Februar 1990 hingewiesen. Vgl. Vogel, Jürgen: Magdeburg Kroatenweg. Chronik des Bürgerkomitees zur Auflösung der Stasi, Braunschweig/Magdeburg 1991, S.57ff. Vgl. auch Wernowsky 1998, S. 50.

74 Auf die Brisanz der Einrichtungen auf dem Brocken (HA III) hatte das Bürgerkomitee die AG Sicherheit des Runden Tisches schon Anfang Februar 1990 hingewiesen. Vgl. Vogel, Jürgen: Magdeburg Kroatenweg. Chronik des Bürgerkomitees zur Auflösung der Stasi, Braunschweig/Magdeburg 1991, S.57ff. Vgl. auch Wernowsky 1998, S. 50.

75 Abschlussbericht zur Auflösung des BA vom 15.3.90; BK MD, Ordner: „Auflösung, Berichte der Regierungsbeauftragten“. Vgl. Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt e.V. (Hg.) 1998, S. 56. Eine detaillierte Überprüfung der einzelnen Angaben des Berichtes steht noch aus.

76 Vgl. auch Wernowsky 1998, S. 39.

77 BK: Erklärung am 7.7.90, in: Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 200.

78 BK: Erklärung am 7.7.1990, in: Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 199f.

79 Eingetragen unter Nr. 410 im Vereinsregister beim Amtsgericht Magdeburg.

80 Erklärung der Bürgerkomitees am 9.9.1990, in: BK MD, Ordner: „Auflösung Magdeburg 1“.

81 Vgl. „Volksstimme“ am 11.9.1990 und MAZ im September 1990, in: Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 220f.

82 BK: Presseerklärung am 9.10.1990, in: Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994. S. 252-254.

83 „Komitee trägt Verantwortung für das Sonderarchiv nicht mit“, in: MAZ am 20.12.1990. Bürgerkomitee Magdeburg e.V. (Hg.): Was im Herbst begann. Magdeburg 1994, S. 291.