Verbunkerte Akten- Die Auflösung der Staatssicherheit im Bezirk Cottbus

 

Autoren: Elena Demke und Peter Ulrich Weiß

 

Textgliederung:

Vorbemerkung

Aufbruch im „Stillhaltebezirk“- Regionalhistorischer Hintergrund

Der Anfang: Erste Kontrollaktionen vom 4. bis 7. Dezember

Wie die Akteure die ersten Kontrollen erlebten

Die Bildung der Bürgerkomitees zur Auflösung der Stasi

Emanzipation aus der „Sicherheitspartnerschaft“- Arbeitsphasen des Cottbuser Bürgerkomitees zur Stasi-Auflösung

Zur Rolle der Runden Tische für den Auflösungsprozess

Positionen zum Umgang mit den Akten

Stasi-Auflösung jenseits der Akten: Waffen, Immobilien, Personal

Die Zusammenarbeit des Bürgerkomitees mit Polizei, Staatsanwaltschaft, Rat des Bezirkes und Regierungsbeauftragtem

Das vorläufige Ende der Auflösung

Text

Verbunkerte Akten - Die Auflösung der Staatssicherheit im Bezirk Cottbus1

Autoren: Elena Demke und Peter Ulrich Weiß

Ende Februar 1990 wollte die Regionalzeitung „Lausitzer Rundschau“ wissen, welche Position das Cottbuser Bürgerkomitee zur Auflösung der DDR-Staatssicherheit zum Aktenverbleib vertrete. Daraufhin erklärte dessen erster Sprecher, Gunnar Pflug: „Dazu haben wir den klaren Standpunkt, wie auch die Mehrzahl der Bürgerkomitees der DDR, solche Akten nicht der Öffentlichkeit preis zu geben. Dieser politische Zündstoff wäre kaum kontrollierbar, außerdem ist er wegen des Umfangs schwer aufzuarbeiten [...] Fakt ist, dass bereits vor unserem Einsatz in den Ämtern Akten vernichtet wurden. Der gesunde Menschenverstand sagt, dass diese ‚Säuberungsaktion’ nicht gerade die kleinen Zuträger betraf. Es wäre also auch ungerecht, die jetzt noch verbliebenen Akten zu veröffentlichen.“2 Mindestens drei Problemlagen des Komitees sind aus dieser Antwort erkennbar: Kontroversen über den Aktenzugang, Kenntnis von Aktenvernichtungen und eine moralische Argumentation in juristischen Fragen. Die daraus erwachsene Spannung war für die rund dreimonatige Tätigkeit des Bürgerkomitees charakteristisch. Die folgenden Ausführungen bieten einen ersten Überblick über die Auflösung des Staatssicherheitsdienstes im Bezirk Cottbus und über die Arbeit der Bürgerkomitees,3 um zu klären, unter welchen Umständen es zu der hier besonders lang und umfangreich fortgesetzten Aktenvernichtung gekommen ist.

Aufbruch im „Stillhaltebezirk“- Regionalhistorischer Hintergrund

Im Herbst 1989 kursierten in der DDR Erzählungen, wonach Halter von Fahrzeugen mit amtlichem Kennzeichen des Bezirkes Cottbus andernorts an Tankstellen nicht bedient oder ihnen gar die Autoreifen zerstochen würden. Solche „Revolutionslegenden“ verweisen darauf, dass Cottbus auch in der Zeit des politischen Umbruchs als Außenseiter- und Stillhaltebezirk wahrgenommen wurde. Dass dies keineswegs unbegründet war, wird daran deutlich, dass die ersten Massendemonstrationen in Cottbus erst Ende Oktober stattfanden. An anderen Orten der DDR hatten sich zu diesem Zeitpunkt schon Oppositionsgruppen und Massenbewegung zu einer machtvollen Bürgerbewegung formiert. Fast überall im Lande waren die Straßen seit dem Rücktritt Erich Honeckers am 18. Oktober 1989 als Ort des friedlichen Protests erobert und das Regime zu ersten Zugeständnissen gezwungen worden. Der späte Aufbruch in Cottbus zeugt von einem insgesamt schwachen Protestpotenzial in der Lausitzer Region, das auch für eine längere Phase zersplittert blieb. Zwar nahmen viele Cottbuser, unter ihnen auch spätere Protagonisten der Stasi-Auflösung, an den ersten Montagsdemonstrationen in Leipzig teil, aber zu einer eigenen regionalen oder lokalen Bewegung fanden sie sich zunächst nicht zusammen.4

In Cottbus traten Oppositionelle öffentlich erst in Erscheinung, nachdem die SED im Interesse ihres Machterhalts bereits die Themen Veränderung und Reform mit „Wende“-Versprechungen zu besetzen versucht hatte. Der lokalen Bürgerbewegung drohte Vereinnahmung bzw. Marginalisierung, noch bevor sie sich überhaupt konstituiert hatte. Dieses Dilemma verdeutlicht ein Kommentar nach der ersten Massendemonstration in der Bezirksstadt, am 30. Oktober 1989, der in Form einer „Lesermeinung“ auf der Lokalseite der Lausitzer Rundschau veröffentlicht wurde: „Wir glauben [...], dass es notwendig und verständlich ist, das Gefühl der Solidarität unter den Andersdenkenden klarzumachen, die sich benutzt fühlen, da sich ihr jahrelanges Engagement nun auf den Fahnen derer findet, die die wesentliche Verantwortung für unsere gegenwärtige Situation mit tragen.“ Die Autorin, Sabine Bürger, war Gründungsaktivistin des Cottbuser Neuen Forums und sollte bald darauf auch eine Protagonistin der Stasi-Auflösung werden.

Es war nicht zuletzt der Ruf nach Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), der die Versuche der SED, den Protest in Gesprächsrunden zu kanalisieren, zum Scheitern bringen sollte. Auf den bezirksweiten Massenprotestveranstaltungen war die Forderung nach Entmachtung des Staatssicherheitsdienstes von Anfang an ein zentrales Thema. Die nach wie vor linientreue Presse griff es im Laufe des Novembers offensiv, aber im Interesse des MfS, auf. Sie publizierte im alten Stil empörte „Lesermeinungen“ als Volkes Stimme gegen die Forderungen der Demonstranten. Veröffentlicht wurden sogar Wortmeldungen von Vertretern des Staatssicherheitsdienstes. So erklärte am 9. November der seit 1981 amtierende Leiter der Cottbuser Bezirksverwaltung, Horst Fitzner, dass das MfS ein Garant von „Rechtssicherheit“ in der DDR sei. Ein Beweis für das gute Vertrauensverhältnis zwischen MfS und Bevölkerung sei dabei die gute „Zusammenarbeit mit Informanten“. Die Lausitzer Rundschau mutete solche Deutungen ihren Lesern unkommentiert zu.

Die Forderungen der friedlichen Demonstranten wurden dagegen nicht näher ausgeführt: Es war eine Ausnahme, wenn im Laufe des Novembers überhaupt ohne kritischen Unterton über sie berichtet wurde. So informierte die Lausitzer Rundschau am 21. November immerhin auf der Titelseite: „Die Demonstranten sangen, Stasi in die Volkswirtschaft. Unter Rufen ‚Stasi raus‘ wurden mitgeführte Kerzen in die Fenster einer Dienststelle des ehemaligen MfS gestellt“.

Dass die DDR-Volkskammer am 17. November die Umbenennung des Ministeriums für Staatssicherheit in Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) „abgesegnet“ hatte, schürte bei vielen Bürgern das Misstrauen, denn die Fragen nach parlamentarischer Kontrolle künftiger Geheimdiensttätigkeit und nach Verantwortung für begangenes Unrecht blieben außen vor. Es ging, und das war offensichtlich, um Machterhalt und das Verwischen von Spuren.

Die Auflösung des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit (BAfNS) und der meisten Kreisämter ging nicht mit einer schnellen, wirklichen „Besetzung“ oder gar „Stürmung“ einher. AfNS und SED konnten noch über Wochen Akten vernichten und im Hintergrund ihre materiellen Interessen absichern. Dennoch waren die Begehungen und Bürger-Kontrollen ab dem 4. Dezember von großer Bedeutung. Sie brachen den Bann unbeirrter Machtwillkür – vorerst eher auf der symbolischen Ebene, aber bald auch auf der Ebene des konkreten Handelns. Generalmajor Fitzner jedenfalls war schon wenige Wochen nach seinen selbstbewussten Wortmeldungen in der Presse „völlig von der Rolle“5, als am 5. Dezember 1989 Vertreter des Neuen Forums und der Belegschaft des Reichsbahnausbesserungswerkes Cottbus (RAW) in Begleitung der Cottbuser Staatsanwaltschaft seinen Amtssitz inspizierten.

Der Anfang: Erste Kontrollaktionen vom 4. bis 7. Dezember

Die Kreisämter

Das MfS bzw. AfNS Cottbus umfasste 14 Kreisämter, in denen zwischen 35 und 91 hauptamtliche Mitarbeiter angestellt waren.6 Hinzu kam die Objektdienststelle des Energiekomplexes „Schwarze Pumpe“. Die ersten Kontrollen und Versiegelungen fanden zwischen dem 4. und 7. Dezember 1989 statt.7 Der Anfang wurde in Weißwasser gemacht, wo während des dortigen Montagsgebetes zur sofortigen Begehung des Amtes aufgerufen wurde. In Begleitung des Kreisvorsitzenden der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) und eines Mitgliedes des Neuen Forums führten hier die Kreisstaatsanwältin von Weißwasser und je ein Mitarbeiter der Kriminalpolizei und der Volkspolizei zwischen 20.00 Uhr und 21.30 Uhr einen Kontrollgang durch und versiegelten alle Panzerschränke.8 Am nächsten Tag setzte eine personell erweiterte Gruppe die Arbeit fort: Ein Kreisstaatsanwalt, zwei Mitarbeiter des Volkspolizei-Kreisamtes (VPKA), drei Abgeordnete der Volkskammer, der Kreissekretär der Christlich-Demokratischen Union (CDU), drei Mitglieder der LDPD und ein Pfarrer beteiligten sich. Das MfS notierte, dass sich einige aus der Gruppe auch als Mitglieder des Neuen Forums vorgestellt hätten.9 Wie andernorts auch, hatten in Weißwasser Indizien für Aktenvernichtungen, wie auffällig qualmende Schornsteine in den Stasi-Objekten, die Aufmerksamkeit erregt. Initiativen, die die mutmaßliche Aktenvernichtung stoppen wollten, fanden teilweise spontan großen Zulauf. So beteiligten sich in Senftenberg mehrere Hundert Personen an einer Mahnwache.10 In Finsterwalde war neben dem AfNS-Objekt bereits zwei Tage zuvor das Gebäude der SED-Kreisleitung durch eine Bürgergruppe auf Spuren von Aktenvernichtungen untersucht worden.11

Zumeist zogen die Vertreter der Bürgerinitiativen die staatliche Exekutive hinzu. So „bestellte“ das Neue Forum Calau am 7. Dezember Polizei und Kreisstaatsanwalt telefonisch zur Besichtigung des AfNS-Gebäudes. Gleich zu Beginn – rund 100 Bürger hatten sich spontan am Eingang versammelt und lautstark Eintritt verlangt – kam es allerdings zum Konflikt, da der Staatsanwalt das alleinige Fragerecht beanspruchte und sich bald als „Freund des MfS“ bezeichnete.12 In Bad Liebenwerda, wo ein Bürger mit dem Hinweis auf Aktenvernichtungen am Abend des 4. Dezember in die Gründungsversammlung des SDP-Ortsverbandes „platzte“ , waren „alle Anwesenden [...] der Meinung, am nächsten Tag aktiv zu werden, da man zu dieser Zeit weder beim Rat des Kreises, noch bei der Polizei Hilfe erwarten konnte.“ Am kommenden Tag fand dann ein Treffen zwischen dem Kreisratsvorsitzenden, der Kreisstaatsanwältin, den lokalen Leitern von Volkspolizei (VP) und AfNS sowie Vertretern des Neuen Forums, der Sozialdemokratischen Partei (SDP) und anderer Parteien statt, und – so die Zeitzeugenerinnerung – „nach dreistündigem Drängen und heißen Diskussionen wurde endlich den Forderungen der Volksvertreter nach Begehung des MfS-Gebäudes nachgegeben“13.

Der Begriff „Volksvertreter“ lässt eine Frage anklingen, die in der brisanten Situation für viele Akteure ein wichtiger Faktor war: Die Frage nach der Legitimität des eigenen Handelns. In der Rückschau mag dies angesichts eines dynamischen Prozesses, der ein illegitimes Regime hinwegfegte, befremden. Für die Beteiligten, die mit schwer kalkulierbaren Risiken konfrontiert waren, war dies jedoch ein zentraler Punkt. Nicht zuletzt wegen dieser Unsicherheit war die Zusammenarbeit mit der staatlichen Exekutive oftmals erwünscht – trotz der Gefahr, manipuliert zu werden.

Aus der Mehrzahl der Kreisämter waren zu diesem Zeitpunkt die Akten schon entfernt. So notierte einer der drei Vertreter des Neuen Forums Calau, dass sie einen mit allem (DDR)Komfort ausgestatteten Bau vorgefunden hätten: Dessen Räume seien zu jeweils voneinander isolierten Abteilungen zusammengefasst gewesen, dass sie Abhör- und Überwachungsgeräte, Kisten voller Munition und Handgranaten sowie Ständer mit Maschinenpistolen gesehen hätten, aber die meisten Schränke, Regale und Karteikästen leer geräumt gewesen seien. Der Dienststellenleiter hätte auf Anfrage erklärt, dass alle Unterlagen auf Weisung des neuen AfNS-Leiters, Wolfgang Schwanitz, bis zum 4. Dezember abtransportiert worden seien. Den Bestimmungsort der Transporte wusste er angeblich nicht.14 Auch in Forst fand die kleine Kontrollgruppe aus Mitgliedern des Ökumenischen Friedenskreises und vom Demokratischen Aufbruch keine Akten mehr. Die AfNS-Mitarbeiter erklärten, diese seien nach Cottbus gebracht worden.15 Andernorts teilten sie mit, dass Akten vernichtet worden waren. Die Gubener Lokalseite der Lausitzer Rundschau beispielsweise informierte unter dem Titel „Nur noch leere Panzerschränke“, „man habe [dem Bürgerkomitee] versichert, dass Personen betreffende Unterlagen vernichtet wurden“16. Auch der Finsterwalder Kontrollgruppe wurde ohne Umschweife mitgeteilt, dass Akten bis zum 4. Dezember vernichtet worden seien, was der Leiter des Kreisamtes, Oberstleutnant Heinz Buhlert, in einem Zeitungsinterview auch noch indirekt bestätigte.17 Es gab aber auch Ausnahmen wie in Luckau, wo die Bürgervertreter ganze Räume mit Archivmaterial verschlossen und versiegelten, oder in Spremberg, wo die örtliche Zeitung beschrieb, wie ein Akteur zuerst „die noch vorhandenen Ordner, deren Rücken durch Wegkratzen der Schrift unkenntlich gemacht wurden, zählen [will]“, da dies aber zu umständlich ist, zum Zollstock greift und „53 Meter meist A4-Ordner“ misst.18

Das Bezirksamt „Am Nordrand“

Die erste öffentliche Kontrolle des Bezirksamtes am 5. Dezember, verlief nach folgendem Muster. Zuerst öffentlicher Unmut und Protest wegen Aktenvernichtung, dann kooperieren Vertreter der Bürgerbewegung mit Staatsanwaltschaft und Polizei und schließlich findet eine gemeinsame Objektbegehung statt. Schon am frühen Morgen hatten Sabine Bürger und Christoph Polster vom Neuen Forum alarmierende Anrufe von Bürgern erhalten, die über geschäftiges Treiben in verschiedenen MfS-Objekten berichteten.19 Es gab Hinweise darauf, dass in Objekten des MfS Akten vernichtet und die Überreste abtransportiert würden. Andere Zeitzeugen erinnern sich, dass die Belegschaft des Cottbuser RAW mit Stürmung der Stasi-Zentrale drohte, wenn die Aktenvernichtung nicht sofort beendet würde.20 Schließlich ordnete der Bezirksstaatsanwalt Reizmann die Begehung der BAfNS-Zentrale an.21 Er zog, vermittelt durch den Werksdirektor, auch Vertreter der Belegschaft des RAW hinzu.22

Dabei ist nicht auszuschließen, dass Reizmann damit nicht nur auf die Bürger-Proteste vor Ort reagierte, sondern auch eine zentrale Weisung vorlag. Die Parallelität der Ereignisse in den Bezirken spricht dafür, eine Weisung für Cottbus liegt jedoch derzeit nicht vor. So fuhren am Vormittag des 5. Dezember 1989 Gunnar Pflug und Dieter Dictus als Vertreter der Betriebsgewerkschaftsorganisation des RAW Cottbus, Sabine Bürger und Christoph Polster vom Neuen Forum und die Staatsanwälte der Bezirksstaatsanwaltschaft Cottbus, Horst Helbig und Günther Hoppe gemeinsam in die Zentrale des Bezirksamtes in der Straße „Am Nordrand“. Dort stieß als Vertreter der Polizei Oberleutnant Dietmar Hoffmann von der Abteilung K der Bezirksbehörde der Volkspolizei (BDVP) Cottbus zu ihnen.

Die BAfNS-Leitung mit Horst Fitzner und seinem Stellvertreter, Oberst Heinz Schulz, an der Spitze gab sich beflissen und beschwor die Kooperation. Bei der folgenden, von 10.30 Uhr bis 16.30 Uhr dauernden, Begehung des Stasi-Objektes wurde deutlich, dass die Aktenvernichtung bis kurz zuvor auf Hochtouren gelaufen war. Die Gruppe ließ die Papiervernichtungsmaschinen (Aktenex) aus allen Büros in einen Raum bringen. Diese wurden wie auch die Räume der zentralen Papiermühle und des zentralen Archivs der Abt. XII versiegelt. Im Computerraum wurden stichprobenartig Disketteninhalte überprüft. Mitarbeiter des Bezirksamtes führten im Beisein von Vertretern des Neuen Forums und des RAW Taschenkontrollen an den Ein- und Ausgängen durch. Die Volkspolizei sollte die Außensicherung übernehmen.23 Angesichts des kaum überschaubaren Gebäude- und Zimmerlabyrinths der Bezirkszentrale, erschienen den Akteuren die Versiegelungen zunächst eher von symbolischem als von wirklich praktischem Wert.24

Wie die Akteure die ersten Kontrollen erlebten

Wie die Protagonisten die Begehungen der Areale der gefürchteten Geheimpolizei erlebten und ihre Handlungsmöglichkeiten einschätzten, unterschied sich von Person zu Person deutlich. Dies gilt auch für die retrospektive Bewertung dieses Ereignisses.25 Die Auflöser standen zunächst einem undurchschaubaren, riesigen Apparat gegenüber, während umgekehrt galt: „Die kannten einen ja.“ Dieses vorerst andauernde Machtgefälle war für diejenigen, die eigene Erfahrungen mit Verfolgung und Repression durch das MfS hatten, besonders offensichtlich. Es wirkten aber auch indirekte Erfahrungen von staatlicher Gewalt in der DDR weiter. Ein Protagonist, den als Jugendlichen Bilder erschossener Flüchtlinge tief schockiert hatten, berichtete, dass ihm in der Anfangszeit der Stasi-Auflösung ständig der Angstschweiß den Körper hinab lief. Er stellte sich die ganze Zeit vor: „Wenn das hier schief geht, erschießen die uns sowieso alle.“ Dagegen empfand es ein Stasi-Auflöser, der zuvor NVA-Offizier gewesen und politisch gemaßregelt worden war, so, dass er mit den MfS-Mitarbeitern „auf Augenhöhe“ verhandeln zu konnte. Denn: „die Sprache konnt‘ ich gerade so ...“.

Natürlich prägten auch die äußeren Umstände ihre Wahrnehmung. In Calau dauerte die erste Kontrolle acht Stunden, wobei eine Handvoll Vertreter der Bürgerbewegung von schwer bewaffneten Stasi-Mitarbeitern bewacht wurde. „Man fühlte sich wie auf Glatteis“, beschrieb ein Teilnehmer vom Neuen Forum Calau den großen psychischen Druck, dem er sich ausgesetzt fühlte.

Das Gefühl, dass Angst und Mut eine seltene und produktive Symbiose eingingen, machte die ersten Begehungen für einige der Akteure zum vielleicht wichtigsten Erlebnis der Herbsttage 1989. Bei den Stasi-„Besetzungen“ synchronisierten sich größere Zusammenhänge und persönliche Erlebnisse zu einer kollektiven Erfahrung. Der politische Umbruch in der eigenen Region blieb endlich nicht mehr hinter den DDR-weiten Ereignissen zurück. Die ersten Reaktionen der AfNS-Mitarbeiter waren nach Wahrnehmung der Stasi-Auflöser sehr unterschiedlich. So wird von Anzeichen eines Schocks und von Überforderung berichtet. „Völlig von der Rolle“ sei der ehemalige Stasi-Bezirkschef gewesen. „Der war ganz grün“. Nie zuvor einen „so blassen Menschen“ gesehen zu haben, erinnert sich eine andere Zeitzeugin an den Leiter einer örtlichen MfS-Kreisdienststelle. Während derartige Reaktionen den Beteiligten aus der Bürgerbewegung ihre neu gewonnene Macht vor Augen hielten, gab es andernorts auch den gegenteiligen Eindruck: „Die Herren taten solvent“ oder: „Man fühlte sich verarscht“.

Der Regierungsbeauftragte berichtete am 12. Dezember nach Ost-Berlin vom Selbstmord eines MfS-Offiziers und von „großer Niedergeschlagenheit unter den Genossen [...] die bis an die Grenze des physischen Schocks reicht“. Indem er an die Adresse des Ministerrats auf die „Zukunftsangst, Unruhe und Unsicherheit“26 unter den ehemaligen MfS-Mitarbeitern hinwies, dürfte er mit solchen Stimmungsberichten auch das Ziel verfolgt haben, Maßnahmen zur materiellen Abfederung entlassener Genossen zu erwirken. Auf Basis der fragmentarischen Quellenlage entsteht der Eindruck, dass der Dienststellenleiter und die Masse der Mitarbeiter eher paralysiert und ratlos reagierten, während Stellvertreter, allgemein die „zweite Garde“ in der Macht-Hierarchie, souveräner zu agieren wussten und zielstrebig darauf hinwirkten, die unübersichtliche Situation gemäß den eigenen Interessen zu gestalten.

Die Bildung der Bürgerkomitees zur Auflösung der Stasi

Die meisten Komitees im Bezirk formierten sich als solche unmittelbar nach den ersten Besichtigungs- und Kontrollaktionen. Ihre Gründung ging entweder auf Initiativen einzelner Personen oder auf informelle Gruppenbekanntschaften zurück. In Cottbus-Stadt konstituierte sich die Bürgerinitiative vom 5. Dezember erst am 12. Januar 1990 als explizit eigenständiges Bürgerkomitee.

Die Zusammensetzung der Bürgerkomitees war in der Regel sehr heterogen. Allerdings gehörten ihnen häufig Mitglieder der neuen Gruppen und Parteien an, insbesondere des Neuen Forums und der SDP. An den Begehungen beteiligten sich neben zahlreichen Bürgern ohne Gruppen- oder Parteizugehörigkeit mancherorts auch Mitglieder von Blockparteien. Personell herrschte eine hohe Fluktuation und entsprechend schwanken Angaben über die Zahl der Beteiligten. Für das Bürgerkomitee in der Bezirksstadt schätzte der erste Sprecher des Bürgerkomitees, Gunnar Pflug, dass an der Auflösung des ehemaligen Bezirksamtes bzw. der ehemaligen Bezirksverwaltung bis zu 35 Personen beteiligt waren.27 Der Regierungsbeauftragte für die Auflösung des MfS zählte Mitte Januar 1990 16 ständige und 10-15 zeitweilige Mitglieder des Bürgerkomitees.28 Am 12. Januar hatte das Bürgerkomitee noch versucht, mittels des Presseaufrufs „Helfer gesucht“ weitere Mitstreiter zu gewinnen.29 Die Organisation der Komitees orientierte sich an basisdemokratischen Strukturen der Bürgerbewegung, die meisten Komitees benannten einen ersten und zweiten Sprecher. Allerdings kam es angesichts des kurzen Aktionszeitraums kaum zu verbindlichen organisatorischen Vereinbarungen. In etlichen Kreisen übernahmen bald Mitglieder von entsprechenden Arbeitsgruppen der neuen Gruppierungen, entweder im Rahmen ihrer Aufgaben am lokalen Runden Tisch oder mit eigenem Mandat Funktionen im Stasi-Auflösungsprozess. Die Zielsetzungen der Komitees orientierten sich im Wesentlichen an dem, was Vertreter der Bürgerbewegung in den Medien bzw. am Zentralen Runden Tisch formuliert hatten: Verhinderung von Aktenvernichtung, Versiegelung wichtiger Schränke und Räume, Entwaffnung der MfS-Mitarbeiter, Kontrolle der durchgeführten Maßnahmen. Für die Auflösung der Bezirksverwaltung formulierte Gunnar Pflug die Prämissen folgendermaßen: „Zuerst ging es um die Sicherung von Dokumenten und die Aussonderung der verfassungswidrigen Akten zum Zwecke der späteren Vernichtung“, dann galt es, „die materielle Basis für einen Sicherheitsapparat zu zerschlagen“.30

Emanzipation aus der „Sicherheitspartnerschaft“- Arbeitsphasen des Cottbuser Bürgerkomitees zur Stasi-Auflösung

Soweit in den Kreisen noch Akten lagerten, wurden sie mithilfe der Volkspolizei nach Cottbus gebracht. Dort unterzeichneten Bürgervertreter gemeinsam mit Vertretern von Staatsanwaltschaft und Polizei die Empfangsprotokolle. Die Immobilien der Kreisämter wurden mit Protokoll und Inventarverzeichnis an die Räte der Kreise übergeben, nachdem die Mitarbeiter entlassen waren.31 Am 15. Dezember 1989 gaben Staatsanwalt Horst Helbig und der Regierungsbeauftragte für die Auflösung der Staatssicherheit, Dr. Erhard Neubert, in der Lausitzer Rundschau den „Abschluß der Auflösung der Kreisämter für Nationale Sicherheit“ bekannt.32 Damit betrachteten dort die meisten Bürgerkomitees ihre Arbeit für beendet und lösten sich auf. Nur in einzelnen Kreisen setzten sie ihre Arbeit fort und versuchten, die Neuvergabe der frei gewordenen Gebäude zu kontrollieren.33

Die nach Cottbus verbrachten Akten blieben in den folgenden Wochen punktuell noch für Mitglieder der Bürgerkomitees zugänglich. So notiert ein Protokoll des Cottbuser Bürgerkomitees vom 6. Februar 1990, 7.15 Uhr34: „Delegation aus Finsterwalde und Bad Liebenwerda: Einsichtnahme ins Archiv über inoffizielle ehemalige Mitarbeiter des Stasi-Apparates.“ Allerdings lässt die Notiz offen, wie ausführlich und mit welchem Erfolg es tatsächlich zu dieser Einsichtnahme kam oder ob sie lediglich geplant war.35

Im Unterschied zu den Kreiskomitees begann die eigentliche Arbeit. Zur Charakterisierung der Tätigkeit des Bürgerkomitees können folgende Phasen unterschieden werden:

1. Phase (5. Dezember 1989 bis Mitte Januar 1990): Das Bürgerkomitee agiert vor allem als Teil des „Arbeitsgremiums Sicherheitspartnerschaft“

2. Phase (12. bis 22. Januar 1990): Das Bürgerkomitee konstituiert sich als eigenes Gremium, emanzipiert sich stärker von staatlicher Einflussnahme und bezieht ständige Präsenz im Objekt „Nordrand“.

3. Phase (Ende Januar bis 28. Februar 1990): Unter Kontrolle des Bürgerkomitees wird das BAfNS systematisch aufgelöst.

Zur 1. Phase:

Die ausführlichsten Quellen zu dieser Phase spiegeln die Perspektive der ehemaligen MfS-Verantwortlichen und des für den Bezirk Cottbus zuständigen Regierungsbeauftragten, Dr. Erhard Neubert, wider. Für sie stellte sich die Situation in Cottbus als vergleichsweise günstig dar, denn das AfNS-Bezirksamt blieb weitgehend arbeitsfähig. Die zentrale Figur war staatlicherseits der von Ministerpräsident Modrow für Fragen der Stasi-Auflösung im Bezirk beauftragte Neubert, der zusammen mit Oberstleutnant Göhler vom Innenministerium und Oberst Schator vom AfNS am Tag nach der Besichtigungsaktion in der Bezirksstadt seine Arbeit aufnahm. Am 6. Dezember gegen 19.30 Uhr traf diese Berliner Abordnung mit Repräsentanten des Rates des Bezirkes, der Polizei, der Staatsanwaltschaft, des AfNS-Bezirksamtes sowie einer Mitarbeiterin des Bezirksgerichtes zusammen. Als einzige Vertreterin der neuen Kräfte war Sabine Bürger vom Neuen Forum anwesend. Aus einer kaum gebrochenen Machtposition heraus artikulierte die staatliche Seite bei dieser Gelegenheit ihre „hohe Meinung“ über die Mitarbeit des Neuen Forums und der Kirche „im Interesse der gemeinsamen Sicherheit und Vertrauensbildung“.36 Ihre organisatorische Form fand diese Zusammenarbeit am 8. Dezember mit der Bildung einer Arbeitsgruppe zur Auflösung der Staatssicherheit, die sich bald „Arbeitsgremium Sicherheitspartnerschaft“ nannte.37 Die genaue Zahl der weiteren Treffen ist nicht sicher geklärt: Nachweisbar sind bislang Sitzungen für den 11., 14., 15. und 22. Dezember sowie für den 4. Januar. Ergänzend zu den Teilnehmern bei der ersten Begehung waren hier auch weitere Vertreter des Neuen Forum, der SDP, der Belegschaft des RAW und später ab Mitte Dezember des Demokratischen Aufbruchs beteiligt. Diese Arbeitsgruppe sah vorerst ihr Ziel nicht darin, sofort die Aktenvernichtung zu stoppen. Schon wenige Tage nach ihrer Gründung konnte Neubert daher nach Ost-Berlin telegrafieren: „die Arbeitsfähigkeit des Bezirksamtes ist gewährleistet“.38 „Arbeitsfähigkeit“ bedeutete offenbar vor allem eines: Aktenvernichtung. An der Auswahl der zu vernichtenden Akten waren allerdings nun ein Staatsanwalt und Vertreter der Volkspolizei beteiligt. Die ehemaligen Stasi-Offiziere fanden zurück zu einer gewissen Routine. Die Kreisämter (KÄ) waren zwar verloren. Aber man plante in Cottbus durchaus schon die Zukunft der „operativen“, d.h. geheimpolizeilichen Arbeit, bei der man auch wieder Inoffizielle Mitarbeiter nutzen wollte. So telegrafierte das BAfNS Cottbus am 27. Dezember 1989 an die Zentrale in Berlin: „Alle op[erativen]. D[iensteinheiten]sind arbeitsfähig, soweit es die gegenwärtigen Bedingungen ermöglichen; keine Versiegelung in D[iensteinheiten], die die op[erative] Arbeit behindern; Mehrzahl der MA [Mitarbeiter] ist mit Vernichtung op[erativen] Schriftgutes beschäftigt; teilweise Klärung, welche ausgewählten IM werden für Verfassungsschutz benötigt; Staatsanwalt und maximal 3 Kräfte der VP sind mit Bewertung op[erativen] Schriftgutes in Zusammenarbeit mit MA der BS [Bezirksstaatsanwaltschaft] tätig ohne Bürgervertreter – Aufgabenstellung besteht darin, op[eratives] Schriftgut der ehemaligen K[reisämter] und des Archivs für Vernichtung / Archivierung aufzubereiten [...] Außenobjekte sind vollständig übergeben.“39

Zur 2. Phase:

Anfang Januar 1990 wuchs in Cottbus sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den involvierten Bürgervertretern die Unzufriedenheit über den Stand der Stasi-Auflösung. Ein Zeichen der wachsenden Entschlossenheit, weitere Aktenvernichtungen zu verhindern, war auch, dass das Neue Forum die Versiegelung einiger Räume mit Archivmaterial in der SED/PDS-Bezirksleitung durchsetzte.40 Innerhalb des „Arbeitsgremiums Sicherheitspartnerschaft“ kam es zu immer größeren Spannungen wegen der offen-sichtlichen Verzögerung und weitgehenden Undurchsichtigkeit des Auflösungsprozesses. Die Situation eskalierte, nachdem das Gremium auf Beschluss des Runden Tisches des Bezirkes um mehrere Vertreter der alten Kräfte erweitert worden war. Damit drohten die neuen Gruppen und Parteien vollends in den Hintergrund gedrängt zu werden. Zugleich konfrontierten deren Vertreter jetzt die staatliche Seite im Arbeitsgremium mit der Forderung nach einem unverzüglichen Stopp der Aktenvernichtungen. Die überregionalen Koordinierungstreffen der Bürgerkomitees, bei denen Gunnar Pflug und Sabine Bürger Cottbus vertraten, hatten offenbar zu dieser Radikalisierung wichtige Impulse gegeben. Mehr noch als bisher galt es, dem AfNS „auf die Finger zu gucken“.41 Um weiteren „Umarmungsstrategien“ den Boden zu entziehen, gründeten die nichtstaatlichen Auflöser am 12. Januar ein eigenständiges Bürgerkomitee, dem keine staatlichen Vertreter angehören durften. Seit dieser Zeit wurde eine dauerhafte Präsenz des Bürgerkomitees auf dem Stasigelände gesichert.42 Zeitgleich wurde der öffentliche Protest nun immer nachdrücklicher. Bereits am 8. Januar hatten sich wütende Demonstranten vor dem „Objekt Nordrand“ versammelt. In den Tagen, bis zur nächsten Montagsdemonstration am 15. Januar, potenzierte sich der Unmut angesichts des inzwischen veröffentlichten Zwischenberichts des Regierungsvertreters.43 In diesem Bericht hatte Neubert das AfNS als ganz „normalen Geheimdienst“ dargestellt und mitgeteilt, dass das Objekt von den ehemaligen MfS-, nun AfNS-Mitarbeitern selbst „bewacht“ würde. Alle „zu Bürgern entsprechend der alten, falschen Sicherheitspolitik“ angelegten Akten würden vernichtet – also auch Informationen über die Zuträger.44 Als das bekannt wurde, warfen am 16. Januar Demonstranten unter „Stasi-raus“-Rufen mehrere Fenster der ehemaligen Bezirksverwaltung mit Steinen ein. Allerdings befanden sich zu diesem Zeitpunkt außer wachhabenden Polizisten nur Vertreter des Bürgerkomitees in dem Objekt. Dennoch stellte dieser Tag eine Zäsur dar, da das Bürgerkomitee die vollständige personelle Räumung des Amtes durchsetzen konnte und die Kontrollarbeiten nun endgültig unter seiner Aufsicht standen. Insofern titelte die Lausitzer Rundschau nicht ganz falsch: „Nordrand in Bürgerhand“. In den Folgetagen blieb der Zugang zur ehemaligen Stasi-Zentrale allerdings weitgehend offen und freiwillige Helfer, aber auch Souvenir-Jäger und selbst ehemalige MfS-Mitarbeiter konnten in dieser unübersichtlichen Situation ein- und ausgehen.

Zur 3. Phase:

Wenige Tage nach seiner Gründung stellte das Bürgerkomitee neue Regeln auf und vereinbarte Zeitpläne für die systematische Auflösung. Die komplette Beräumung des Amtes lief nun zügig nach einem festen Schema ab. Zuerst betrat ein Mitglied der Arbeitsgruppe V gemeinsam mit einem Staatsanwalt jeden der versiegelten Räume, öffnete sämtliche Schränke und sichtete die Akten. Relevante Informationen wie Material für die Abwicklung der Immobilien bzw. den Abbau der Nachrichtentechnik wurden dann von den zuständigen Arbeitsgruppen I und III ausgewertet. Den Abtransport von Akten und Gegenständen übernahmen Räumkommandos.

Die Immobilien wurden in Verantwortung des Rates des Bezirkes überführt; das ehemalige Personal entlassen; Waffen an die Nationale Volksarmee (NVA) und Nachrichtentechnik an die Volkspolizei oder die Deutsche Post übergeben bzw. vernichtet. Die erhaltenen Akten wurden in zwei ehemaligen Munitionsbunkern eingelagert. Strafakten waren, um IM-Berichte bereinigt, bereits seit Dezember zur Staatsanwaltschaft gebracht worden. Finanzakten, Kaderakten und Dienstbefehle sollten zunächst bei der Volkspolizei verbleiben und dort mit Kontrolle des Bürgerkomitees versiegelt weggeschlossen bleiben, was nach Einspruch des Komitees jedoch teilweise revidiert wurde.45 Vorvernichtetes Material war am 9. Februar verkollert worden.46 Da bis zum Ende des Monats alle notwendigen Arbeiten abgeschlossen waren, stellte das Bürgerkomitee am 28. Februar 1990 seine Tätigkeit offiziell ein. Von neuen Mitstreitern, die in der zweiten Phase zum Bürgerkomitee hinzugestoßen waren, blieb in der letzten Phase nur ein kleiner Teil dabei. Einer der damaligen Akteure führte dies darauf zurück, dass seinerzeit die Stasi-Überprüfung aller Bürgerkomitee-Mitglieder angekündigt wurde.47 Andere Zeitzeugeninterviews belegen aber auch, dass mancher mit den Umgangsformen im Bürgerkomitee nicht zufrieden war. Entscheidungsstrukturen wurden als intransparent, Arbeitsabläufe als unübersichtlich empfunden und Offenheit bei der Klärung von Konflikten vermisst. Manche Akteure gewannen sogar den Eindruck, die Rolle des Bürgerkomitees erschöpfe sich weitgehend in der Funktion als „Feigenblatt“ für die Selbstauflösung des AfNS.48 Die zugängliche schriftliche Überlieferung zeichnet hingegen ein differenzierteres Bild: Die Beteiligten leisteten intensive konkrete Arbeit, die dem Vorwurf des „Feigenblattes“ widerspricht. Die täglichen Arbeitsabläufe und die Zuteilung von Aufgaben waren klar geregelt. Arbeitsgruppen mit klaren Zuständigkeiten hielten bis zu zweimal täglich, um 7.15 Uhr und 15.15 Uhr, Besprechungen ab, die auch protokolliert wurden.49 Aber, und darin kann man einen Grund für den Vorwurf der Intransparenz vermuten, diese Protokolle dokumentieren vor allem technische Abläufe. Entscheidungsprozesse oder gar Kontroversen sind dagegen nicht erkennbar. Entweder fanden sie nicht statt oder sie wurden nicht dokumentiert. Ein Indiz für die Konzentration auf die technischen Abläufe ist auch, dass die in der historischen Rückschau vielleicht brisanteste Frage, die der Bewertung der Akten, von der personell am schwächsten besetzten Arbeitsgruppe vorgenommen wurde.

Positionen zum Umgang mit den Akten

Hinsichtlich der Frage Aufbewahrung oder Vernichtung von Stasi-Unterlagen gab es deutliche Kurswechsel, die sich nicht durchweg mit den oben beschriebenen Phasen decken. Zum Zeitpunkt der Kontrolle der Stasi-Zentrale lautete das Ziel, die Aktenvernichtung zu stoppen. Jedoch wurden auch im Dezember weiterhin Akten vernichtet, nun allerdings mit Billigung der Bürgervertreter. Ab Mitte Januar lehnte das Bürgerkomitee jedoch dieses Vorgehen wieder ab und trat erneut für eine vollständige Sicherung der Akten ein. Konflikte innerhalb des Bürgerkomitees in dieser Frage sind aus der schriftlichen Überlieferung, aber auch aus Interviews mit den maßgeblichen Akteuren, kaum nachweisbar. Einzelne Randbemerkungen und Episoden weisen jedoch darauf hin, dass es Konflikte gegeben haben muss, die verschiedentlich sogar zum Ausscheiden von Bürgerkomitee-Mitgliedern führten.50 Es ist fraglich, inwiefern es überhaupt zu Aushandlungsprozessen bei Meinungsverschiedenheiten kam. Wer anderer Meinung war, verließ unter Umständen recht schnell das Bürgerkomitee und erscheint daher auch nicht in der Überlieferung.

Die Kurswechsel waren jedenfalls nicht Ausdruck veränderter Machtkonstellationen innerhalb des Komitees, sondern einerseits Reaktionen auf die „Sicherheitspartner“, die weitere Aktenvernichtungen anstrebten, andererseits waren sie Folge und Koordinierungstreffen der Bürgerkomitees. Das Cottbuser Bürgerkomitee war in seinen grundlegenden Vorstellungen über die Zukunft des AfNS zunächst offen und damit sehr beeinflussbar. Beispielsweise befürworteten Mitglieder frühzeitig die Schaffung eines neuen Geheimdienstes. Daher fehlten eindeutige Positionen für ein klares Votum für oder gegen die Aktenvernichtung.

Auch die Unsicherheit hinsichtlich der Legalität des eigenen Handelns erschwerte das Verfechten einer sicheren Position. Man berief sich nicht auf ein revolutionäres Ausnahme-Recht, sondern rang immer wieder um die Kriterien von Legalität. Denn das Cottbuser Bürgerkomitee verstand sich nicht als ein Gremium, das eigene Politik macht, sondern eher als Exekutive der Stasi-Auflösung. Zur Illustration seien einige Details und paradoxe Aspekte dieser Einstellung angeführt:

Der schnelle Wechsel der Positionen – vom Stopp der Aktenvernichtung hin zu deren Fortsetzung – durch das „Arbeitsgremium Sicherheitspartnerschaft“ ist bemerkenswert. Ziel der nun zumindest teilweise kontrollierten Vernichtung war der unbedingte „Quellenschutz“. Der Staatsanwalt betrachtete es als seine Aufgabe, alle Dokumente mit der Nennung von Zuträgern des MfS für die Vernichtung auszusondern. Über das zu vernichtende Material wurde selbst keine Liste geführt, um keine neuen Quellen zu schaffen. Der „Quellenschutz“ galt auch während der Kontrollen durch die Bürgervertretung und verpflichte diese zum Schweigen über das Gesehene. Dieses Vorgehen sicherte nicht allein die Anonymität der Stasi-Mitarbeiter, sondern erleichterte generell die Entsorgung von brisantem Material.51

„Es gelte, die Papiere herauszuziehen, die vom ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit unberechtigt über Bürger angelegt wurden“, ließ das Gremium am 9. Dezember in der Lausitzer Rundschau verlautbaren.52 Dagegen hatte Sabine Bürger noch beim ersten Treffen mit Neubert drei Tage zuvor erklärt, dass das Neue Forum die Ausgliederung der „Akten über politisch Andersdenkende“ und deren vorläufige Deponierung bei Justizorganen fordere, bis „die zuständigen Staatsorgane“ eine Entscheidung zum MfS getroffen hätten.53 Doch schon am nächsten Tag war die Situation verändert. Bürger wurde ebenso wie die anderen Mitglieder des Gremiums mit einem Fernschreiben des Ministerratsvorsitzenden Hans Modrow konfrontiert, das die Vernichtung von Akten anordnete.54 Diese oberste Verfügung wurde erst einmal als offizielle Entscheidung akzeptiert. Am 8. Dezember telegrafierte der Regierungsbeauftragte nach Berlin, dass mit SED-Bezirksfunktionären, Bürgerbewegung und RAW-Betriebsgewerkschaftsorganisation „Übereinstimmung […] über die kontrollierte Vernichtung der unberechtigt angelegten Dokumente“55 herrsche. Entsprechend dem Beschluss des Ministerrates vom 7.12.1989 solle erreicht werden, dass künftig jeder Bürger ohne Angst vor ungerechtfertigten Beschuldigungen leben könne. Das betraf auch die Akten aus den Kreisämtern, weshalb davon auszugehen ist, dass Akten, die durch lokale Bürgerkomitees gesichert worden waren, teilweise mit Zustimmung des „Arbeitsgremiums Sicherheitspartnerschaft“ in Cottbus vernichtet wurden.56 Es ist auch schwer zu erklären, warum im Dezember wiederholt Vertreter des Neuen Forums bzw. des Bürgerkomitees zwar den Abtransport und die Vernichtung der Akten beaufsichtigten, jedoch auf deren vorherige Sichtung verzichteten.57 Jedenfalls konnte die staatliche Seite in dieser Phase weitgehend ihre Variante des Umgangs mit den Akten durchsetzen und alternative Positionen im Rahmen der „Sicherheitspartnerschaft“ marginalisieren. So notierte der Regierungsbeauftragte am 21. Dezember 1989, dass man sich im „Arbeitsgremium Sicherheitspartnerschaft“ darüber einig sei, dass zur Umsetzung des Ministerrats-Beschlusses vom 14. Dezember folgendermaßen mit Schriftgut zu verfahren sei: „Was die neuen Organe benötigen, wird aussortiert und gesichert aufbewahrt. Alles andere (ca. 80 % des gesamten Materials) wird nicht weiter aussortiert, sondern für die Vernichtung freigegeben. Die Einbeziehung des Staatsarchivs [Potsdam] ist gewährleistet.“58 Bis zum 4. Januar 1990 bekräftigte das „Arbeitsgremium Sicherheitspartnerschaft“ diese Position mehrmals.59 Im typischen Sprachgebrauch des AfNS nahm es damit „eine realistische Position“60 im Umgang mit den Akten ein.61 Das Gremium kam letztlich den Interessen des AfNS entgegen, was mehrheitlich sicherlich nicht die Absicht der Bürgerakteure war. Dennoch trugen sie die Entscheidungen mit. Verschiedene Motive hierfür können angeführt werden. So waren manche unsicher hinsichtlich ihrer Maßstäbe für die Richtigkeit des eigenen Handelns, was die Hinnahme der Mehrheits-Linie im „Arbeitsgremium“ begünstigte. Die Mitglieder wollten gesetzeskonform agieren bzw. gingen davon aus, dass sie ihr Handeln auf den Boden einer – in der historischen Rückschau schwer vorstellbaren – Legalität stellen könnten und müssten. Zweitens lehnten die Mitglieder des späteren Bürgerkomitees zumindest im Dezember die Existenz eines Geheimdienstes nicht prinzipiell ab. So sprach beispielsweise Christoph Polster von der Arbeitsgruppe des Neuen Forums zur Auflösung der Stasi von „legitimen Sicherheitsaufgaben“ und der Gewährleistung der „Geheimhaltung des – auch von Bürgerinitiativ-Seite – anerkannten Sicherheitsaspektes“.62 Regierungsvertreter Neubert berichtete bereits am 21.12.1989, dass Bürgervertreter vor einem Sicherheitsvakuum gewarnt hätten, falls das alte Organ zu schnell aufgelöst werden würde und das neue dagegen noch nicht arbeitsfähig sei.63 Drittens standen die Bürgervertreter bei dünner Personaldecke vor kaum überschaubaren Aktenmengen und weitgehend undurchschaubaren MfS-Strukturen. Verschiedene Zeitzeugen erinnern sich, insbesondere in den ersten Wochen nach der Begehung, schlichtweg überfordert gewesen zu sein. Zum Jahresende 1989 beschrieb Polster die Situation im Informationsblatt des Neuen Forums wie folgt: „Das Problem in der Arbeitsgruppe stellt sich – aus der Sicht der Bürgerinitiativen – darin, daß die Überprüfbarkeit der vereinbarten Schritte, wie auch der Aussagen der Stasi-Vertreter sich als schwierig erweist. [...] Um die Geheimhaltung [...] zu gewährleisten, wurde ein ‚Staatsanwalt des Vertrauens’ in die Arbeit einbezogen. Dieser hat die Aufgabe, alle gesicherten Akten der Stasi zu kontrollieren und die Dossiers sicherzustellen und die Vernichtung zu gewährleisten.  Man kann sich leicht vorstellen, daß dies in der Praxis eine kaum zu bewältigende Aufgabe ist.“64 Die Menge des Schriftgutes wurde auf rund 50 Tonnen geschätzt.65

Viertens kam auch die Angst vor „Mord und Totschlag“, also vor möglicher Lynchjustiz gegen MfS-Mitarbeiter, hinzu. Hinweise auf eine derartige Gefahr sollten offenbar effektvoll einschüchtern. Sie wurden von den Beteiligten durchaus ernst genommen, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Sie fürchteten die Gefahr, die von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern ausgehen könnte. So wertete Staatsanwalt Horst Helbig, der eigentlich mit Tötungsverbrechen befasst war, den Selbstmord, den ein MfS-Mitarbeiter am 7. Dezember 1989 mit der Dienstwaffe verübt hatte, als Indiz für ein Gewaltpotenzial, das sich auch in eine andere Richtung hätte entladen können.66 Sabine Bürger war gleich zu Beginn der Stasi-Auflösung mit einer erschreckenden Machtdemonstration und Gewaltandrohung konfrontiert worden. Bei einer Begehung der Cottbuser MfS-Untersuchungshaftanstalt, wenige Tage nach der ersten Begehung des Bezirksamtes, stieß sie in einem der Räume, in denen sie selbst Jahre zuvor als Häftling vernommen worden war, auf historische Fotos mit Erhängten und der Botschaft „für das Neue Forum“, bzw. „so werden wir es mit dir auch machen“.67 Morddrohungen gegen Cottbuser Bürgerrechtler hatte es auch anderswo gegeben.68 Die Kursänderung hin zur kompromisslosen Aktensicherung geschah unter dem Einfluss öffentlicher Proteste und der anderen Bürgerkomitees der Bezirke. Am 11. Januar trat schließlich das Cottbuser Bürgerkomitee gegenüber dem Regierungsbeauftragten und dem alten Gremium mit einem eigenen Forderungskatalog auf: Einstellung sämtlicher Aktenvernichtungen und jeglicher Tätigkeit des Bezirksamtes; vollständige Entwaffnung; Begehung aller Räume nach Bauplan; Offenlegung aller Strukturen, Finanzen und Datenträger und Aufhebung der Geheimhaltungsverpflichtung für das Bürgerkomitee.69 Während der überraschte Regierungsvertreter einige Punkte in der folgenden Diskussion zurückdrängen konnte, blieb der Dissens in der Frage der Aktenvernichtung bestehen, der sich nach seinen Angaben an der Forderung nach einer klaren zentralen Richtlinie und nicht an der Vernichtung an sich entzündet hatte.70 Den konsequenten Stopp der Aktenvernichtung setzte das Bürgerkomitee jedenfalls nicht durch. Bis Mitte Februar blieb die Situation insofern paradox, als einerseits Transportfahrzeuge Akten zur Papiermühle fuhren, andererseits das Bürgerkomitee die Vernichtung einzelner Papiere durch Angestellte anprangerte und sogar strafrechtliche Schritte einleitete.71 Der Fokus lag offenbar mehr darauf, Einzeltäter dingfest zu machen, als die Materialvernichtung insgesamt mit allen Mitteln zu verhindern. Nur schrittweise, manchmal mit Korrekturen im Stundentakt, setzte sich die Position der Ablehnung jeglicher Dokumentenvernichtung durch. So kündigt das Protokoll der Bürgerkomiteesitzung vom 13. Februar, 7.00 Uhr an: „Heute Vernichtung der Dienstausweise und Stempel im Heizhaus“.72 Im Protokoll von 15.00 Uhr des gleichen Tages heißt es dann aber: „Revidierung des gestrigen Beschlusses zu der Vernichtung der Dienstausweise [...] Grundsatz der Arbeit: es wird von uns nichts vernichtet (keine Dokumente und Schriftstücke) – deshalb: Dienstausweise und Stempel kommen in den Bunker.“73

Bis zum 20. Februar scheint die Wendung endgültig vollzogen worden zu sein, denn an diesem Tag berichtete Neubert, dass das Cottbuser Bürgerkomitee nun jegliche weitere Vernichtung von Akten entschieden untersagt hätte.74 Die Zerstörung der elektronischen Datenträger, die zu diesem Zeitpunkt auch von anderen Bürgerkomitees unterstützt wurde,75 wurde allerdings im Februar vollzogen. Zwei Tage nach dem entsprechenden Ministerratsbeschluss vom 26. Februar 1990 wurden in Cottbus alle elektronischen Datenträger vernichtet. Laut Protokoll war dabei der Staatsanwalt anwesend, den seine damalige Zustimmung „noch heute wurmt“, jedoch kein Vertreter des Bürgerkomitees. Es sollte in dieser Woche seine Arbeit einstellen.76 Die Einlagerung des Aktenmaterials in zwei Munitionsbunker seit dem 30. Januar 1990 geschah nicht zwingend mit der Perspektive, die Akten später zu öffnen: Vielmehr sollten sie bis zu einer gesetzlichen Entscheidung aufbewahrt werden.77 Dennoch wurde Wert darauf gelegt, sie systematisch einzulagern und vor unbefugter Vernichtung zu schützen. Dazu wurde auf das Angebot des Potsdamer Staatsarchivs zurückgegriffen, das bereits Mitte Dezember telefonisch seine Mitarbeit bei der Sichtung angeboten hatte – eine Initiative, die auf eine Weisung des stellvertretenden Ministers für Innere Angelegenheiten zurückging.78 So wurde nach Vorgaben einer Mitarbeiterin des Staatsarchivs Potsdam das Stasi-Archiv in einen Bunker überführt und dort sortiert. In einem anderen Bunker wurde unsortiertes Material deponiert. Das zentrale Archiv des Bezirksamtes wurde ab dem 20. Februar innerhalb von drei Tagen umgelagert.79 Die Eingänge und auch die Lüftungsschächte wurden zum Schutz vor möglichen Brandsätzen zugemauert und durch Bereitschaftspolizisten bewacht.80

Stasi-Auflösung jenseits der Akten: Waffen, Immobilien, Personal

Als die Hinterlassenschaft des MfS, die am stärksten in die Gegenwart hineinwirkt, lassen die Akten in der Rückschau alle anderen Aufgabenfelder der Stasi-Auflösung verblassen. Dabei waren seinerzeit auch die Fragen nach dem Verbleib von Waffen und Immobilien hoch brisant und nahmen in der alltäglichen Arbeit des Bürgerkomitees großen Raum ein. Einige Tätigkeitsfelder sollen hier zumindest angerissen werden. Dass die Frage der zügigen Entwaffnung psychologisch und machtpolitisch wichtig war, ist evident. Immerhin hatten auch im Bezirk Cottbus AfNS-Mitarbeiter Anfang Dezember zum Widerstand gegen die geplante Auflösung aufgefordert. Mitarbeiter des Kreisamtes Spremberg riefen in einem Verteiler vom 9.12.1989, der an die Volkskammer, den Ministerrat, die SED, die AfNS-Ämter und -Leiter, Generalmajor Wolfgang Schwanitz, das DDR-Fernsehen und die Agentur ADN adressiert war, zur Rettung des sozialistischen Vaterlandes und des AfNS „auch unter Einsatz des Lebens“ auf.81 In den Kreisämtern war, sehr zur Erleichterung der dortigen Bürgerkomitees, die Waffenabgabe allerdings bis Mitte Dezember weitestgehend abgeschlossen worden. In der ersten Arbeitsphase des Bezirkskomitees stand dagegen die Auflösung der Waffenkammern ebenso wenig wie die der Nachrichtentechnik im Mittelpunkt. Dagegen wurde die Auflösung des Immobilienbestandes von Beginn an in Angriff genommen. Außer den ehemaligen Kreisdienststellen wurden in dieser Phase 13 Objekte der vormaligen Bezirksverwaltung, drei rückwärtige Einrichtungen und zwei Mehrzweckobjekte an den Rat des Bezirkes übergeben.82 Nach den Angaben des Regierungssprechers gingen außerdem bis zum 12. Januar 180 Wohneinheiten an den Rat der Stadt Cottbus über. Die Übergabe von 122 PKW und weiterer Transporttechnik war vorbereitet, 94 PKW der Kreisämter waren bereits an die Kreisräte übergeben worden.83 Erst in der zweiten Phase nahm das Bürgerkomitee das Problem des Waffenzugangs in Angriff. Zu diesem Zeitpunkt waren immerhin noch 200 Mitarbeiter im Besitz von Waffen.84 Die Entschlüsselung einer Computerdatei durch ein Mitglied des Bürgerkomitees ermöglichte eine genaue Übersicht und weitere Kontrolle. In den Waffenkammern befanden sich 1022 Maschinenpistolen, rund 2000 Pistolen und 240 Gewehre. Zwischen dem 10. und 12. Januar wurden sie eingesammelt, katalogisiert und schließlich von der Bezirksbehörde der Volkspolizei (BdVP) der Nationalen Volksarmee übergeben. Lediglich 20 Waffen blieben für Wach- und Sicherungsaufgaben zurück.85 Spätestens für die dritte Phase ist die Bildung spezieller Arbeitsgruppen innerhalb des Bürgerkomitees bekannt, die den MfS-Bestand an Immobilien und Nachrichtentechnik auflösen sollten. Mit der Nachrichtentechnik wurde dabei gemäß den Festlegungen des zentralen Runden Tisches“86 verfahren: Sie wurde überwiegend abgebaut und der Polizei übergeben.87 Die Demontage der Anschlüsse des geheimen Regierungsnetzes wurden dabei offenbar als eine vorläufig betrachtet. Denn zugleich wurden schon wieder Räume zur „späteren Nutzung“88 für das geheime Regierungsnetz ins Auge gefasst. Die personelle Auflösung des Bezirksamtes schritt bereits seit Dezember zügiger voran, als dies von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Am 11. Januar waren gleichwohl mehr als die Hälfte, nämlich 800, der vormals 1515 Mitarbeiter noch nicht entlassen.89 Zwischen dem 23. und 31. Januar war die Entlassung der restlichen 500 Mitarbeiter geplant, bis zum 5. Februar waren tatsächlich bis auf 20 alle freigesetzt.90 Die zügige Abwicklung des Personals war in der zweiten Januarhälfte auch dem Drängen des Bürgerkomitees zu verdanken.91 In der zweiten Phase sah sich das Bürgerkomitee mit diversen praktischen Fragen konfrontiert. So befanden sich nach wie vor ehemalige Stasi-Mitarbeiter auf dem Gelände im „Nordrand“ mit der Begründung, persönliche Gegenstände aus ihren Büros holen zu wollen. Für diese und ähnliche Probleme schuf das Bürgerkomitee in der dritten Phase klare Regelungen. So wurden den ehemaligen Mitarbeitern die Dienstausweise und Schlüssel abgenommen.92 Zu der grundsätzlichen Frage, in welchen Bereichen ehemalige Mitarbeiter künftig arbeiten sollten, vertrat das Bürgerkomitee in der Lausitzer Rundschau „offiziell“ eine, im Nachhinein betrachtet überraschende, Ansicht: „Wichtig [ist], dass dieser Personenkreis Arbeit bekommt. Beachtet werden soll dabei, dass sie beispielsweise keinen Zugang zu Waffen am neuen Arbeitsplatz erhalten. Gegen Beschäftigungen, die durch [...] Gremien wie Elternbeiräte kontrollfähig sind (z.B. [...] Lehrer), gibt es seitens des Komitees keinerlei Einwände.“93 Offensichtlich bestehende Meinungsverschiedenheiten zu dieser Frage fanden keinen Eingang in die Protokolle des Bürgerkomitees. Allerdings erschien wenige Tage später, ebenfalls in der Lausitzer Rundschau, eine Stellungnahme des Neuen Forum, welche den Einsatz ehemaliger MfS-Mitarbeiter als Lehrer unter der Überschrift „Stasi [...] in die Volkswirtschaft! [...] aber auch in die Schule?“ strikt ablehnte und bei dieser Gelegenheit auch die Forderung nach einer Öffnung der Akten bekräftigte.94 Die Informationen darüber, wie sich das Bürgerkomitee zum Einsatz ehemaliger Stasi-Mitarbeiter in der Polizei positionierte, sind spärlich. Einzelne Äußerungen lassen Zurückhaltung erkennen. So heißt es im Protokoll vom 13. Februar: „Zusammenkunft mit Oberst Henschel Leiter der BDVP Abteilung K - [...] Übernahme von 27 ehem. [...] Mitarbeitern nicht in führenden Positionen [...] Bürgerkomitee keine Stellungnahme / Empfehlung die Auswirkungen auf das Vertrauen der Bevölkerung zu beachten.“95 Zuvor hatte Gunnar Pflug noch darüber informiert, dass die ehemaligen Mitarbeiter der Stasi bzw. des AfNS welche bereits bei der Volkspolizei tätig waren, ab dem 31.1.90, 9.00 Uhr wieder entlassen würden.96 Bis zum 9. Februar wurde dieses bis auf sechs Personen vollzogen.97 Die Auflösung des Immobilienbestandes gehörte zu den zeitaufwändigsten Aufgaben des Bürgerkomitees. Die hierfür zuständige AG I war demzufolge auch die mit 13 Personen stärkste, während in den AG II bis IV jeweils nur drei bis vier Personen tätig waren.98 Gleichwohl war diese Arbeitsgruppe bei weitem nicht hinreichend mit Personal, Informationen und Unterstützung ausgestattet, um persönliche Bereicherung durch ehemalige MfS-Mitarbeiter zu verhindern. Diese hatten offenbar die unübersichtliche Situation des Auflösungsprozesses für sich auszunutzen gewusst, während sich das Bürgerkomitee erst konstituieren, orientieren und um Unterstützung durch die staatliche Exekutive kämpfen musste. So hieß es bereits Ende Januar 1990 im Protokoll des Bürgerkomitees: „Es ist zu untersuchen, was ist an die Mitarbeiter MfS/AfNS aus dem Bestand der Sicherheit (Häuser) übergeben worden.“99 Und Anfang Februar stand auf der Tagesordnung: „Im Haus II Sichtung Unterlagen von Verkäufen an ehem. Stasi-Mitarbeiter .“100

Die Zusammenarbeit des Bürgerkomitees mit Polizei, Staatsanwaltschaft, Rat des Bezirkes und Regierungsbeauftragtem

Während der ersten Phase bestimmte die staatliche Seite den Prozess der Auflösung weitgehend. Die Zusammenarbeit mit Vertretern der Bürgerinitiativen war für sie propagandistisch willkommen, ohne dass sie größere Zugeständnisse machen musste. Wie selbstsicher der Regierungsbeauftragte die Zusammenarbeit in dieser Phase als Indienstnahme von Bürgervertretern verstand, illustriert die Tatsache, dass er in dieser Zeit mehrfach von „mein[em] Arbeitsgremium Sicherheitspartnerschaft“ sprach.101 Mit der eigentlichen Konstituierung des Bürgerkomitees Mitte Januar ist auch ein kritischeres und selbstbewussteres Auftreten gegenüber dem Regierungsvertreter nachweisbar. So forderte das Bürgerkomitee – in begrenztem Rahmen – Rechenschaft über dessen Arbeit und hielt Ungereimtheiten im Protokoll fest.102 Prompt beklagte Neubert bald darauf, dass die Situation „kompliziert, zeitaufwendig und nervenaufreibend“ geworden sei, da die Bewegungsfreiheit der ehemaligen Mitarbeiter stark eingeschränkt sei. Während er zusammen mit der Volkspolizei „ein Mindestmaß an Ordnung und Recht“ anstrebe, hätte das Komitee ihm vorgeworfen, er würde die Arbeit des Bürgerkomitees behindern.103 Auch, als es um die Auflösung des Waffenarsenals ging, berichtete Neubert über „erneutes Misstrauen im Bürgerkomitee“. Dieses forderte Protokollvergleiche an.104 Grundsätzlich aber stellte das Komitee den Regierungsvertreter nicht infrage.

Für die Zeit Anfang Januar berichtet auch Staatsanwalt Horst Helbig von einem Ringen um eine eigene Positionsbestimmung zwischen Bürgerkomitee einerseits und Regierungsbeauftragtem andererseits. So erinnert er sich daran, dass ihn der Regierungsbeauftragte und Vertreter der Volkspolizei damals der „Zusammenarbeit mit der Konterrevolution“ bezichtigten. Damit meinten sie seine kooperative Haltung gegenüber dem Bürgerkomitee. In seiner Erinnerung wurde dieser Vorwurf zu einem Aha-Erlebnis für die Klärung der eigenen Rolle, die er in der Folgezeit als „Staatsanwalt des Vertrauens“ im Sinne des Bürgerkomitees ausfüllen wollte.

Auch die Zusammenarbeit mit der Polizei gestaltete das Bürgerkomitee ab Januar selbstbewusster. Es nahm Einfluss auf die Auswahl des Personals, das zur Zusammenarbeit abgestellt war und hinterfragte bisherige Selbstverständlichkeiten. Als der vertraute Umgang zwischen einem Major der BDVP und Stasi-Mitarbeitern Verdacht weckte, erzwang das Bürgerkomitee eine Aussprache über die Vergangenheit des Polizeioffiziers105 und sorgte schließlich für einen Personalwechsel: Major Kern ersetzte Major Hoffmann als offizieller Ansprechpartner der Polizei für das Bürgerkomitee. Dies war ein Erfolg und Ausweis wachsender Souveränität, der sich verschiedenen Zeitzeugen nachhaltig einprägte. Mit ihm als Nachfolger funktionierte die Zusammenarbeit besser. Aber auch danach gab es Anlässe, die Vertrauenswürdigkeit der Polizei zu hinterfragen. So ist beispielsweise im Protokoll des Bürgerkomitees von Ende Januar festgehalten: „Im Hause II ging ein ehemaliger Angestellter der Stasi [...] in verschiedene Räume ... Er sollte dabei einen Zettel vernichtet haben. Er gab an, er hätte dazu von einem Kriminalisten [der Polizei] die Erlaubnis. Dies ist unbedingt zu klären.“106 Im Gegensatz zu diesem Vorfall genossen die Bereitschaftspolizisten, die in der Schlussphase für die Bewachung der Akten-Bunker verantwortlich waren, das volle Vertrauen des Komitees. Die weitaus größte Substanz an Sachwerten aus den Hinterlassenschaften des MfS wurde unter Kontrolle des Bürgerkomitees an den Rat des Bezirkes übergeben. Dies verlief offenbar ohne größere Konflikte. Das Bürgerkomitee stellte die Kompetenz des Rates des Bezirkes, im Zusammengehen mit dem Runden Tisch über die Verteilung von Immobilien und Fahrzeugen zu entscheiden, nicht infrage. Das spiegelte sich auch im Ton wider, den das Bürgerkomitee für eigene Verteilungsvorschläge anschlug. Dieser erinnert an bittstellende Eingaben, in denen die Autorität des Adressierten vorbehaltlos akzeptiert wird.107 In anderen Zusammenhängen wurde der Ton aber auch rauer. So gab es bei der Ausstellung von Arbeitsbefreiungen für die Mitglieder des Bürgerkomitees wiederholt Probleme. Nachdem die angemahnte Unterstützung ausblieb, wurden Konsequenzen gezogen und „Herr Bartusch vom Rat des Bezirkes als Verhandlungspartner zum BK [Bürgerkomitee] nicht mehr akzeptiert“, worauf der Rat eine neue Amtsperson, Bernhard Dittrich, ernennen musste.108 Ehemalige Mitarbeiter des MfS waren in allen Phasen am Prozess der Auflösung offiziell beteiligt. In der zweiten und dritten Phase betraf dies noch zwei Funktionen: Zum einen traten Offiziere als Kooperationspartner auf. Dies betrifft in erster Linie den vormaligen Stellvertreter von Leiter Fitzner, Oberst Schulz. Mit ihm gab es allerdings Auseinandersetzungen wegen mangelnder Auskunftsbereitschaft. So notiert das Protokoll des Bürgerkomitees vom 26. Januar 1990, 7.20 Uhr: „Herr Schulz wird vom Staatsanwalt nochmals belehrt, bei weiteren Falschaussagen Anklage wegen Verschleierungsverdacht.“109 Auch weitere hohe Offiziere wurden eingebunden, so ab 16. Januar der ehemalige Abteilungsleiter Rückwärtige Dienste. Zum anderen wurde eine größere Zahl ehemaliger MfS-Mitarbeiter zu Hilfsarbeiten herangezogen, zum Beispiel für Räumkommandos, welche die Akten in die Bunker brachten. Nicht alle diese Arbeiten fanden unter besonderer Aufsicht statt, beispielsweise die Verkollerung vorvernichteter Dokumente.110 Die Mitwirkung ehemaliger MfS-Angehöriger wurde offenbar als weitgehend selbstverständlich bzw. als notwendig erachtet. Wer allerdings was genau tun durfte, scheint wiederholt klärungsbedürftig gewesen zu sein. So heißt es im Protokoll des Bürgerkomitees vom 1. Februar 1990: „Die Mitglieder des BK protestieren, dass sich ehemalige Mitarbeiter alleine in den Zimmern umsehen [...].“ Und eine Woche später muss noch einmal konkretisiert werden: „Akten werden von den Mitgliedern des BK aus den Panzerschränken entfernt, nicht von den ehemaligen Mitarbeitern.“111 Auf eine Forderung der VP hin wurden ab Ende Januar MfS/AfNS-Mitarbeiter „mit ‚roter Karte’ gekennzeichnet (20-25 Personen)“112. Daran, dass ihre direkte Einbeziehung in die Auflösung zweckmäßig sei, wurde bis zum Schluss festgehalten. So verfassten der Regierungsbeauftragte und der erste Sprecher des Bürgerkomitees am 22. Februar den gemeinsamen „Vorschlag an den Runden Tisch“, drei Mitarbeiter des MfS113 auch in den künftigen Arbeitsstab zur Auflösung des MfS aufzunehmen.114 Inwieweit Stasi-Mitarbeiter gezielt heimlich – als IM oder Offizier im besonderen Einsatz – in die Auflösung des AfNS in Cottbus eingeschleust waren, muss eine offene Frage bleiben. Von Zeitzeugen geäußerte Vermutungen konnten im Rahmen dieser Darstellung nicht an Hand der Akten geprüft werden. Allerdings wurde in einem Fall ein Mitglied des Bürgerkomitees, das auch noch eine wichtige Position hatte, später als IM enttarnt. Hier erstaunt in der Rückschau die Arglosigkeit. So hieß es hinsichtlich des Sparkassenbereiches, der die Gelder der Stasi verwaltete: „Die Sparkasse arbeitet am Samstag [...] Da der Sparkassendirektor [der Stadt, Wolfgang Malth] sich zur Mitarbeit im BK bereit erklärt hat, erübrigt sich ein weiterer Vertreter des BK zur Überwachung.“115 1995 wurde bekannt, dass Malth Inoffizieller Mitarbeiter des MfS gewesen ist.116

Zur Rolle der Runden Tische für den Auflösungsprozess

Die Auflösung der AfNS-Dienststellen gehörte auch an den Runden Tischen zu den zentralen Anliegen der neuen Kräfte.117 Die heftigsten Kontroversen auf Kreisebene fanden dazu bis etwa Mitte Januar 1990 statt, dem Ende des so genannten „alten Machtkampfes“ an den Runden Tischen zwischen alten und neuen Kräften.118 Streitpunkte waren vor allem die vollständige Auflösung des AfNS, die Neuvergabe der Gebäude und von deren Inventar, der Umfang der bisherigen Telefonüberwachung, die Umverteilung der frei gewordenen Telefonanschlüsse und die berufliche Zukunft der ehemaligen Stasi-Mitarbeiter. Das Aufspüren und die Enttarnung konspirativer Objekte und Wohnungen des AfNS gehörten ebenso in den Aufgabenkatalog der neuen Kräfte. Die Zahl der konspirativen Objekte (KO) im Bezirk betrug im August 1989 82.119 Die Rolle der Bürgerkomitees bestand vor allem darin die Anonymität dieser Orte aufzuheben.

In einigen Kreisen, wie beispielsweise in Finsterwalde, führten die Diskussionen über die Zukunft der Immobilien zu kommunalpolitischen Machtproben. Wo sich die neuen Kräfte durchsetzten, beschleunigte dies den Erosionsprozess des alten Machtapparates. So drohten Anfang Januar 1990 die Bürgerinitiativen gemeinsam mit dem Moderator des Runden Tisches ihren Rückzug von diesem Gremium an, falls der Kreistag seine Empfehlung für die Vergabe eines MfS-Objektes nicht akzeptiere. Dass der Kreistag und sein Vorsitzender dem Diktum schnell und mit öffentlichen Entschuldigungen nachgaben, zeigt die exponierte kommunalpolitische Rolle des Runden Tisches.120

Die Bevölkerung interessierte vor allem die Frage: Wer war Inoffizieller Mitarbeiter? Unter Androhung von Warnstreiks, auf Demonstrationen, in Briefen und Unterschriftensammlungen aus Betrieben wurde insbesondere Mitte Dezember bis Mitte Februar die Veröffentlichung aller IM-Namen gefordert. Konkrete Verdachtshinweise wurden vorgebracht. Dem Regierungsbeauftragten lagen im Dezember und Januar beispielsweise Unterschriftenlisten aus dem VEB Gießereitechnik Finsterwalde, Tiefbaukombinat Cottbus (Betriebsteil Elsterwerda) und Synthesewerk Schwarzheide vor. Die oft mehr als 100 Unterzeichner forderten unter Streikandrohung die Nennung der Inoffiziellen Mitarbeiter in ihren Betrieben.121 In Bad Liebenwerda tauchten am 30. Januar unter anderem an der Tür der St. Nikolai-Kirche anonym verfasste Namenslisten auf.122 In Gröden (Kreis Bad Liebenwerda) brachten Ende Januar Unbekannte an den Haustüren einiger Funktionäre und vermuteter IMs Henkerschlingen an.123 Die Stimmung wurde besonders in Kleinstädten zunehmend brisant. In dieser Situation bekannten sich die meisten Runden Tische zur Geheimhaltung von IM-Namen und argumentierten mit den destabilisierenden Folgen einer Veröffentlichung für den weiteren Transformationsprozess. Bombendrohungen wurden in Presseerklärungen verurteilt.124 In Finsterwalde und Luckau dagegen forderten die neuen Kräfte am Runden Tisch nicht nur Akteneinsicht, sondern auch die Offenlegung der Quellen.125

Im unmittelbaren Vorfeld der Kommunalwahlen im Mai 1990 wurden in Bad Liebenwerda, Weißwasser und vom Runden Tisch des Bezirkes Beschlüsse bzw. Empfehlungen verabschiedet, die durch Selbsterklärungen der Kandidaten oder durch interne Parteiüberprüfungen Stasi-Verstrickungen neuer Abgeordneter ausschließen sollten. Das Thema Auflösung des Bezirksamtes wurde vor allem beim dritten Runden Tisch des Bezirkes, am 24. Januar, und auf der fünf Tage später anberaumten Sondersitzung diskutiert. So kam es nach den Ausführungen des Regierungsbeauftragten zu einer mehrstündigen kontroversen Aussprache über den Stand der Auflösung und die Nachnutzung der frei werdenden Ressourcen.126 Leider geben die vorliegenden Quellen kaum Details wieder. Der Regierungsbeauftragte selbst legte in seinem Bericht dar, eine Vertreterin des Neuen Forums hätte auf der Basis von Informationen aus Berlin seine Glaubwürdigkeit hinterfragt, und er selbst hätte sich vehement dagegen gewehrt.127 Laut einer nicht offiziellen, protokollarischen Mitschrift der Sitzung hatte diese Bürgervertreterin sich als Mitglied des republikweiten Koordinierungsausschusses aller Bürgerkomitees vorgestellt und kritisiert, dass ehemalige Cottbuser Stasi-Objekte ohne Rücksprache mit dem Runden Tisch des Bezirkes vergeben worden seien. Als Beweis führte sie die Kopie eines Ministerratsberichtes an, in dem Informationen aus internen Berichten der Regierungsvertreter aufgeführt waren. Neubert stritt während des folgenden heftigen Wortwechsels ab, von dem Bericht und seinem Inhalt gewusst zu haben.128 Weitere Ungereimtheiten führten schließlich zur Einberufung einer Sondersitzung am 29. Januar. Die geforderte Bildung eines Untersuchungsausschusses über Rechtsverstöße ehemaliger Mitarbeiter während der Auflösung wurde vertagt, der Gründung einer therapeutischen Selbsthilfegruppe für die ehemaligen MfS-Mitarbeiter zugestimmt.129 Wiederholt hatte sich auch das Bürgerkomitee öffentlich für die umgehende Eingliederung der entlassenen Mitarbeiter in die Arbeitswelt ausgesprochen.130 Die Sondersitzung befasste sich nun ausschließlich mit möglichen Nutzungsvarianten des Gebäudekomplexes des ehemaligen Bezirksamtes, die jedoch später keine bleibende Relevanz behalten sollten. Manche Beschlüsse, wie die Vergabe der Turnhalle „Nordrand“ an den Rat der Stadt, blieben nicht einmal für vier Wochen gültig.131 Die wichtigste Stütze des Runden Tisches für die Arbeit des Bürgerkomitees ergab sich daraus, dass dieser vom Regierungsbeauftragten Rechenschaft verlangen konnte und Auskunft über Strategien oder Pannen ablegen musste. Dennoch konnte der Runde Tisch im konkreten Fall wenig Einfluss nehmen, dafür war der Auflösungsprozess zu komplex.

Das vorläufige Ende der Auflösung

Am 28. Februar wurde in der Presse offiziell die „Beseitigung aller MfS/AfNS-Strukturen“ im Bezirk Cottbus bekannt gegeben.132 In Zahlen hieß das: 99,6 Prozent der Mitarbeiter waren entlassen, alle 39 Objekte und 212 der 284 PKW übergeben worden. Der Regierungsbeauftragte konnte am nächsten Tag nach Berlin telegrafieren: „[…] die Einlagerung des Schriftgutes, einschließlich der Akten des Zentralarchivs (ca. 1000 m) in zwei ehemalige Munitionsbunker ist mit dem heutigen Tag abgeschlossen. Die Zubetonierung der beiden Bunker wird morgen am 2.3.1990 beendet. Das Bürgerkomitee ist seit dem vergangenen Montag, dem 26.02.1990 nicht mehr im Objekt tätig.“133 Mit Neubert beendeten seine Mitarbeiter, Dr. Göhler und Oberst Schator, ihre Tätigkeit in Cottbus. Die zwölfköpfige „zeitweilige Arbeitsgruppe des Rat des Bezirkes Cottbus zur Auflösung der Bezirksdienststelle Cottbus des ehemaligen AfNS“, die infolge eines Ministerratsbeschlusses am 19. Februar 1990 gebildet worden war, spielte für die Frage des Aktenverbleibs keine erkennbare Rolle mehr.134 Die administrative Verantwortung für die Objekte des Bezirksamtes lag von nun an in den Händen des Rates des Bezirkes. Das Cottbuser Bürgerkomitee hatte seine Arbeit eingestellt. Als im Sommer 1990 in den Cottbuser Bunkern Akten für die Überprüfung der Volkskammerabgeordneten gesichtet wurden, waren es Mitglieder des Berliner Bürgerkomitees, die diese Arbeit ausführten.135 Staatsanwalt Horst Helbig und einzelne Mitglieder des Bürgerkomitees waren später noch punktuell, zum Beispiel bei der Öffnung der Bunker zur Überführung der Akten nach Frankfurt/Oder im April 1991, beteiligt.136 Die Mehrheit der ehemaligen Mitglieder des Bürgerkomitees erhielt allerdings nicht einmal Kenntnis von dem Termin. Einigen der zuvor maßgeblich Involvierten erscheint der Prozess der Aktenüberführung nach Frankfurt/Oder im Nachhinein als nicht nachvollziehbar und als ein Schritt, der über ihre Köpfe hinweg das Ergebnis ihres Engagements tatsächlich oder zumindest in der öffentlichen Darstellung entwertete. Letzteres gilt für Gerüchte, wonach die Akten chaotisch gelagert und von Feuchtigkeit gefährdet gewesen seien.

Dagegen vermerkt das „Protokoll über die Öffnung der Depots für Schriftgut des ehemaligen MfS/AfNS ...“ vom 23. Juli 1990: „Im Bunker 3 fand sich das in geordnetem Zustand eingelagerte Zentralarchiv ... Die Luftfeuchtigkeit entsprach zu 75 % der oberen Grenze ... In Bunker 4 befanden sich die ungeordnet eingelagerten Bestände der ehem. Kreisdienststellen und der Bezirksverwaltung.“137 Angesichts der fortdauernden Aktenvernichtung erscheint die Cottbuser Stasi-Auflösung manchem Beobachter nicht zu Unrecht als (negativer) Sonderfall.138 Allerdings verdeutlicht der Fall Cottbus auch, dass bürgerschaftliches Engagement in der Stasi-Auflösung nicht identisch war mit einer klaren Frontstellung gegen Aktenvernichtungen. Vielmehr rangen die Akteure um Maßstäbe für ihr Handeln (die Frage nach der Legitimität), um politische Orientierung (war geheimdienstliche Tätigkeit grundsätzlich abzulehnen?) und mussten sich über die Ziele ihrer Tätigkeit jenseits der prinzipiellen Beendigung der Stasi-Tätigkeit erst verständigen. Trotz völlig unzureichender personeller Ausstattung und trotz allenthalben ungenauer oder fehlender Informationen über Details von Strukturen und Ausstattung des MfS, trugen sie allerdings entscheidend zu dessen Entmachtung bei. Damit war auch im Bezirk Cottbus das wichtigste, am längsten loyale und bewaffnete Machtinstrument der SED außer Kraft gesetzt. Allerdings konnten offenbar gerade in Cottbus die mächtigeren unter den ehemaligen MfS-Mitarbeiter Kontakte und Abhängigkeiten nutzen, um ihr Fortkommen materiell abzusichern. Manchmal trafen beim Bürgerkomitee Zufall und verfügbare personelle Kompetenz günstig zusammen, wie beim Auffinden einer Computerdatei über die Bewaffnung der Mitarbeiter und deren Entschlüsselung durch ein Mitglied des Bürgerkomitees. An anderen Stellen fehlten Informationen oder die kritische Deutungskompetenz – etwa, als dem Sparkassendirektor als Mitglied des Bürgerkomitees vertraut wurde.

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Anmerkungen:

1 Ergänzung und Überarbeitung eines Textes von 2010

2 Lausitzer Rundschau (LR) vom 28.2.1990.

3 Autorin und Autor danken Christoph Polster und Gunnar Pflug vom Cottbuser Bürgerkomitee sowie Staatsanwalt a.D. Horst Helbig, die ihre Aufzeichnungen sowie Kopien von Protokollen zur Verfügung stellten. Unterlagen dieser Provenienz werden im Folgenden mit „Kopie A.d.V.“ ausgewiesen. Neben den Genannten danken die Verfasser weiteren, ungenannt bleiben wollenden ehemaligen Mitgliedern des Bürgerkomitees für ihre Auskunftsbereitschaft.

4 Siehe auch Peter Ulrich Weiß, Bürgerbewegung und Provinz. Eigenheiten der „Wende“ und des Neuen Forums im Bezirk Cottbus 1989/90, in: Deutschland Archiv 2 / 2002, S. 220-230.

5 Interview d.V. mit dem ehemaligen 1. Sprecher des Bürgerkomitees Cottbus, Gunnar Pflug, 23.11.2004.

6 Diese wurden in folgender hauptamtlicher Mitarbeiterstärke von nächststehenden Oberstleutnants geleitet (Stand: 1.10.1989): Bad Liebenwerda (38 MA) / Dieter Hofmann, Calau (56 MA) / Karl-Heinrich Mosler, Cottbus-Stadt (91 MA) / Eberhard Müller, Finsterwalde (51 MA) / Heinz Buhlert, Forst (35 MA) / Klaus Schulz, Guben (41 MA) / Winfried Schneider, Herzberg (35 MA) / Harald Schüler, Hoyerswerda (42 MA) / Reiner Ackermann, Jessen (36 MA) / Lothar Albert, Luckau (30 MA) / Helmut Kammel, Lübben (38 MA) / Walter Schuster, Senftenberg (73 MA) / Horst Halla, Spremberg (40 MA) / Siegfried Fritsche und Weißwasser (47 MA) / Gerhard Schenka.

7 4. Dezember: Weißwasser; 5. Dezember: Guben, Herzberg, Bad Liebenwerda, Cottbus-Stadt, Lübben, Hoyerswerda; 6. Dezember: Senftenberg, Luckau, Spremberg; 7. Dezember: Finsterwalde, Calau. BStU, ZA, HA VIII – AKG, 1672, Bl. 259, 264, 271.

8 BStU, ZA, HA VIII–AKG, 1672, Bl. 271.

9 BStU, ZA, HA VIII-AKG, 1672, Bl. 264.

10 Türen zum Archiv vom Staatsanwalt versiegelt, in: LR vom 8.12.1989.

11 Rainer Ernst / Olaf Weber (Hg.), Finsterwalde. Ein Lesebuch zur Geschichte der Stadt, Finsterwalde 1991, S. 153f.

12 Gedächtnisprotokoll von Heinz Petrick über die Begehung des AfNS-Kreisamtes Calau vom 7.12.1989, Kopie A.d.V.

13 Michael Ziehlke, Wie sich die Wende in Bad Liebenwerda vollzog, Teil III, in: Ortschronik Bad Liebenwerda 1999.

14 Gedächtnisprotokoll von Heinz Petrick über die Besichtigung des AfNS-Kreisamtes Calau vom 7.12.1989, Kopie A.d.V. - Im offiziellen Protokoll heißt es dazu: „Die Besichtigung der verschiedenen Schränke ergab, daß in den meisten Fällen leere Ordner und Karteikästen vorhanden waren, so daß keine Versiegelung notwendig erschien.” Protokoll der Besichtigung des AfNS-Kreisamtes Calau vom 7.12.1989, unterzeichnet von Staatsanwalt Schreinert und Heinz Petrick, Kopie A.d.V.

15 Mündliche Auskunft von Maria Nooke, 30.11.2004.

16 vom 7.12.1989.

17 Gebäude der „Sicherheit“ wurde besichtigt, in: LR vom 13.12.1989; Nicht mehr streng geheim?!, in: LR vom 8.12.1989.

18 Vgl. LR vom 8.12.1989; Gedächtnisprotokoll von Joachim Paschke/Spremberg vom 13.12.1989, Kopie A.d.V.

19 Interview d.V. mit Christoph Polster vom 13.6.2000.

20 So die Erinnerung des Staatsanwalts Horst Helbig, Interview d.V. vom 29.9.05. Ende Dezember 1989 erregte die Belegschaft des RAW durch ihr kompromissloses Engagement erneut die allgemeine Aufmerksamkeit, als sie mit Streik drohte, falls ehemalige MfS-Mitarbeiter Übergangszahlungen erhalten würden. Bericht Dr. Neubert vom 7.1.1990, Bl. 2.

21 Die Begehung wurde von Bürger, Pflug, Dictus und Polster gefordert.

22 So Gunnar Pflug im Zeitungsinterview: Unser Ziel ist Recht, wem hilft schon Rache?, in: LR vom 28.2.1990 und im Interview mit d.V., 23.11.2004.

23 Bürgerkontrolle am Nordrand, in: LR vom 6.12.1989; BStU, ZA, HA VIII – AKG, 1672, Bl. 264; Interview d.V. mit Horst Helbig am 29.9.2005; Protokoll der Begehung vom 5.12.1989, Kopie A.d.V.

24 So die Erinnerung Horst Helbigs, Interview d.V. am 29.9.2005.

25 Dafür wurden Zeitzeugen befragt, deren z.T. sehr persönliche Äußerungen hier bewusst anonym wiedergegeben werden.

26 BArch Berlin, DC 20 11949, Bericht von Dr. Neubert, Bezirk Cottbus, vom 12.12.1989; BArch Berlin, DC 20 11950, Gemeinsamer Informationsbericht an den Operativstab des Ministerrats vom 13.12.1989, gez. Neubert, Regierungsbeauftragter, und Bartusch, Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres.

27 Unser Ziel ist Recht, wem hilft schon Rache?, in: LR vom 28.2.1990.

28 BArch Berlin, DC 20 11950, Meldung des Herrn Neubert aus Cottbus vom 18.1.1990.

29 LR vom 12.1.1990.

30 LR vom 28.2.1990.

31 BArch Berlin, DC 20 11950, Tagesberichte von E. Neubert an den Operativstab Berlin vom 11. und 12.12.1989; BArch Berlin, DC 20 11950, Gemeinsamer Informationsbericht an den Operativstab des Ministerrats vom 13.12.1989, gez. Neubert, Regierungsbeauftragter, und Bartusch, Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres.

32 Alle Akten des MfS sind sichergestellt, in: LR v. 15.12.1989; Interview d.V. mit Heinz Petrick am 1.3.2000; BArch Berlin, DC 20 11950; Tagesberichte von E. Neubert an den Operativstab Berlin vom 13. und 14.12.1989.

33 Beispielsweise inspizierte das Finsterwalder Komitee einen konspirativ genutzten Bauernhof in Göllnitz: Lübbener begingen das AfNS-Schulungsobjekt Briesensee und waren angeblich über den „vorgefundenen Komfort dieses Objektes enttäuscht“. BStU, HA VIII-AKG, 1672, Bl. 264; In Weißwasser wurde der private Bungalow des vormaligen Leiters der Kreisverwaltung bzw. des Kreisamtes – vergeblich – nach Akten durchsucht. BStU, XII, 828, Bl. 6.

34 Kopie A.d.V.

35 Protokoll des Bürgerkomitees vom 6.2.1990, 15.00 Uhr, Kopie A.d.V.

36 BArch Berlin, DC 20 11948, Tagesbericht von E. Neubert an Operativstab Berlin vom 6.12.1989.

37 So genannte „Sicherheitspartnerschaften“ gab es auch in einigen Cottbuser Kreisen wie z.B. in Luckau oder Calau. Allerdings wurden darunter in erster Linie deeskalierende Dialogveranstaltungen zwischen Vertretern der Neuen Kräfte und Vertretern des alten Sicherheitsapparates, also VP, AfNS etc. verstanden. BStU, HA XXII, 1721, f. 39; BStU, HA XXII, 828, f. 113.

38 BArch Berlin, DC 20 11950, Gemeinsamer Informationsbericht an den Operativstab des Ministerrats vom 13.12.1989, gez. Neubert, Regierungsbeauftragter, und Bartusch, Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres.

39 BStU, ZKG, 128, Lagebericht für den Zeitraum vom 27.12.-28.12.1989, Bl. 317f.

40 BArch Berlin, DC 20 11349, Tagesbericht E. Neubert an den Operativstab Berlin vom 5.1.1990.

41 Interview d.V. mit G. Pflug, 23.11.2004.

42 Kalendereintragungen C. Polster, Interviews d.V. mit G. Pflug, 23.11.2004 und H. Helbig, 29.9.2005.

43 Vgl. LR v. 9.1. und 16.1.1990.

44 Zwischenbericht des Regierungsbeauftragten vom 11. Januar zu Aufgaben und Struktur der ehemaligen Bezirksverwaltung Cottbus des MfS und zum Stand der angewiesenen Auflösung des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit, in: LR vom 13.1.1990.

45 Protokoll des Bürgerkomitees, 13.2.1990 sowie Protokoll zur spontanen Beratung am 13.2.1990, Kopie A.d.V.; im Ergebnis wurden nur die Finanzakten bei der BDVP eingelagert.

46 Protokoll des Bürgerkomitees vom 9.2.1990, Kopie A.d.V.

47 Interview d.V. mit H. Helbig vom 30.9.2005.

48 Interviews d. V. mit Frau D. vom 30.8.2005, Herrn S. vom 25.8.05 und Gespräch mit Frau T. vom 31.8.2005.

49 Mit dem Datum 22.1.1990 nimmt die Dichte überlieferter Protokolle deutlich zu.

50 Interview mit Frau D. am 30.9.2005, außerdem sagten Zeitzeugen Interviewtermine mit entsprechenden Andeutungen ab.

51 BStU, MfS-ZAIG, 14274, Stand der Auflösung des ehemaligen Bezirksamtes Cottbus (Berlin, 7.1.04), Bl. 13f.

52 LR vom 9.12.1989.

53 BArch Berlin, DC 20 11948, Meldung Rat des Bezirkes Cottbus, Genosse Neubert, vom 6.12.1989.

54 BArch Berlin, DC 20 11948, Meldung des Genossen Dr. Erhard Neubert aus Cottbus vom 7.12.1989.

55 BArch Berlin, DC 20 11948, Tagesbericht E. Neubert an den Operativstab Berlin vom 8.12.1989.

56 BStU, ZKG, 127, Berichterstattung zur angewiesenen Auflösung der Kreisämter des AfNS (Berichtszeitraum 13.12.1989, 6.00 Uhr bis 14.12.1989, 6.00 Uhr), Bl. 40.

57 BArch Berlin, DC 20 11951, Meldung vom Gen. Neubert aus Cottbus vom 18.12.1989.

58 BArch Berlin, DC 20 11349, Meldung des Regierungsbeauftragten Cottbus an den Operativstab Berlin vom 21.12.1989.

59 Staatsarchiv erhält Dokumente, in: LR vom 5.1.1990; BArch Berlin, DC 20 11349, Meldung des Regierungsbeauftragten Cottbus an den Operativstab Berlin vom 21.12.1989. - BStU, ZA, ZAIK 14 274, Bl. 13f., BArch Berlin, DC 20 11349, Bl. 692.

60 BStU, MfS-ZAIG, 14274, Stand der Auflösung des ehemaligen Bezirksamtes Cottbus (Berlin, 7.1.04), Bl. 13f.

61 BStU, MfS-ZAIG, 14274, Stand der Auflösung des ehemaligen Bezirksamtes Cottbus (Berlin, 7.1.04), Bl. 13f.

62 Informationsblatt Nr. 1 des Neuen Forums Cottbus vom 31.12.1989; BArch Berlin, DC 20 11349, Meldung des Regierungsbeauftragten Cottbus an den Operativstab Berlin vom 21.12.1989.

63 BArch Berlin, DC 20 11349, Meldung des Regierungsbeauftragten Cottbus an den Operativstab Berlin vom 21.12.1989.

64 Informationsblatt Nr. 1 des Neuen Forums Cottbus vom 31.12.1989.

65 BArch Berlin, DC 20 11350, Information zu Aufgaben und Struktur der ehemaligen Bezirksverwaltung Cottbus des MfS und zum Stand der Auflösung des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit vom 11.1.1990.

66 Interview d.V. mit H. Helbig, 30.9.2005.

67 Mündliche Auskunft von Sabine Bürger, 20.11.2004.

68 So z.B. gegen den Gründer des Neuen Forums in Calau, Heinz Petrick. Vgl. Tina Krone (Hg.), „Sie haben so lange das Sagen, wie wir es dulden“. Briefe an das Neue Forum September 1989 - März 1990, Berlin 1999, S. 306f.

69 BArch Berlin, DC 20 11350, Tagesbericht von E. Neubert vom 11.1.1990; BArch Berlin, DC 20 11350, Information zu Aufgaben und Struktur der ehemaligen Bezirksverwaltung Cottbus des MfS und zum Stand der Auflösung des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit vom 11.1.1990.

70 BArch Berlin, DC 20 11350, Tagesbericht von E. Neubert vom 11.1.1990.

71 Protokoll des Bürgerkomitees vom 30.1.1990, Kopie A.d.V.

72 Protokoll der Bürgerkomitees vom 13. Februar, 7.00 Uhr, Kopie A.d.V.

73 Protokoll der Bürgerkomitees vom 13. Februar, 15.00 Uhr, Kopie A.d.V.

74 BArch Berlin, DC 20 11350, Tagesbericht von E. Neubert vom 20.2.1990.

75 Protokoll der gemeinsamen Beratung der Vertreter der Bürgerkomitees der Bezirke und den Regierungsbeauftragten in den Bezirken am 16.2.1990, Kopie A.d.V.

76 Interview d.V. mit Horst Helbig am 29.9.2005; Protokoll vom 28.2.1990, Kopie A.d.V.

77 Protokoll des Bürgerkomitees vom 29.1.1990, Kopie A.d.V.

78 BArch Berlin, DC 20 11950, Bericht von Dr. Neubert, Bezirk Cottbus, vom 15.12.1989.

79 BArch Berlin, DC 20 11351, Meldung des Kollegen Neubert aus Cottbus vom 20.2.1990. - BArch Berlin, DC 20 11351, Information RB Cottbus Herr Neu-bert vom 23.2.1990.

80 Interview d.V. mit Dr. Pautz, 15.9.2004.

81 BArch Berlin, DC 20 11948, Standpunkt des Kollektivs des Kreisamtes für Nationale Sicherheit Spremberg vom 9.12.1989; Walter Süß, Staatssicherheit am Ende. Warum es den Mächtigen nicht gelang, 1989 eine Revolution zu verhindern, Berlin 1999, S. 665.

82 BStU, MfS-ZAIG, 14274, Zum Stand der Auflösung des ehemaligen Bezirksamtes Cottbus, Berlin, den 7.1.1990, Bl. 14.

83 BArch Berlin, DC 20 11950, Meldung Beauftragter Neubert, Cottbus, vom 12.12.1989.

84 BStU, MfS-ZAIG, 14274, Zum Stand der Auflösung des ehemaligen Bezirksamtes Cottbus, Berlin, den 7.1.1990, Bl. 13.

85 BStU, ZKG, 129, Lageberichte für die Zeiträume vom 9.1.-10.1.1990 und 10.- 11.1.1990, Bl. 119 und 185. BStU, MfS-ZAIG, 14274, Zum Stand der Auflösung des ehemaligen Bezirksamtes Cottbus, Berlin, den 7.1.1990, Bl. 13.

86 Zwischenbericht der Arbeitsgruppe 3 vom 22.1.90, unterschrieben von „Szuka, Hauptmann der VP“.

87 Zwischenbericht der Arbeitsgruppe 3 vom 22.1.90, unterschrieben von „Szuka, Hauptmann der VP“.

88 Ebd.

89 BArch Berlin, DC 20 11350, Information zu Aufgaben und Struktur der ehemaligen Bezirksverwaltung Cottbus des MfS und zum Stand der Auflösung des Bezirksamtes für Nationale Sicherheit vom 11.1.1990. Deutlich geringere Zahlen liegen aus AfNS-internen Berichten vor. Da die höheren Zahlen sich aber auch in späteren Berichten des Regierungsbeauftragten und des Bürgerkomitees bestätigt finden, ist von ihrer Richtigkeit auszugehen.

90 BArch Berlin, DC 20 11350, Information Herr Neubert Cottbus vom 23.1.1990; BArch Berlin, DC 20 11351, Stand der Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit in den Bezirken vom 5.2.1990.

91 Protokoll des Bürgerkomitees vom 30.1.1990, Kopie A.d.V.

92 Ebd.

93 So lautet die Überschrift des Beitrags auch recht eindeutig: Ehemaligen AfNS-Mitarbeitern Arbeitsmöglichkeiten geben, in: LR vom 31.1.1990.

94 LR vom 5.2.1990.

95 Protokoll des Bürgerkomitees vom 12.2.1990, ms. Fassung, die hs. Fassung vermerkte zusätzlich „Übernahme problematisch augenblicklich, abwarten bis zum 18.9.90“; Protokoll des Bürgerkomitees vom 13.2.1990, Kopie A.d.V.

96 Protokoll des Bürgerkomitees vom 31.1.1990, 15.00 Uhr, Kopie A.d.V.

97 Protokoll des Bürgerkomitees vom 9.2.1990, Kopie A.d.V.

98 Übersicht Mitarbeiter Bürgerkomitee - Stand per 22.1.1990, Kopie A.d.V.

99 Wochenrapport vom 29.1.1990, Kopie A.d.V.

100 Protokoll vom 6.2.1990, 7.15 Uhr, Kopie A.d.V.

101 Z.B. in: BArch Berlin, DC 20 11956, Tagesbericht E. Neubert an den Operativstab Berlin vom 15.12.1990.

102 Protokoll des Bürgerkomitees vom 31.1.1990: „Herr Neubert hat am 26.1.90 bestätigt, dass der Bericht v. 7.1.90 nicht durch ihn abgefaßt wurde, sondern durch Mitarbeiter des Ministeriums.“, Kopie A.d.V.

103 BArch Berlin, DC 20 11350, Meldung des Herrn Neubert aus Cottbus vom 19.1.1990.

104 BArch Berlin, DC 20 11350, Information Herr Neubert Cottbus vom 23.1.1990.

105 Protokoll des Bürgerkomitees vom 5.2.1990, 7.15 Uhr, Kopie A.d.V.

106 Protokoll des Bürgerkomitees vom 1.2.1990, 15.00 Uhr, [hierzu auch Protokoll des Bürgerkomitees vom 30.1.1990: „Strafanzeige gegen Köhler, Joachim wegen Siegelbruch und Aktenvernichtung am 16.1.90 muß gestellt werden (vom Bürgerkomitee)“], Kopie A.d.V.

107 Schreiben von 17 Mitgliedern des Bürgerkomitees an den Rat des Bezirkes, 26.1.1990, Kopie A.d.V.

108 Gemeint ist hier Burckhard Bartusch, stellvertretender Vorsitzender des Rates des Bezirkes für Inneres. Protokoll des Bürgerkomitees, 30.1.1990: „Herr Bartusch hat unzureichende Freistellungen abgeschickt, an Dr. Neubert anderer Text weitergegeben (!)“; Protokoll des Bürgerkomitees, 31.1.1990; Protokoll des Bürgerkomitees vom 13.2.1990, 7.00 Uhr, Kopie A.d.V.

109 Protokoll des Bürgerkomitees vom 26.1.1990, Kopie A.d.V.

110 Protokoll des Bürgerkomitees vom 9.2.1990, 15.00 Uhr, Kopie A.d.V.

111 Protokoll des Bürgerkomitees vom 8.2.1990, Kopie A.d.V.

112 Bürgerkomitee-Wochenrapport vom 29.1.1990, Kopie A.d.V.

113 ehem. Abteilungsleiter Rückwärtige Dienst G. Frey, ehem. Mitarbeiter Personalabteilung P. Felgner, ehem. Leiter Finanzabteilung U. Dieke

114 Vorschlag an den Runden Tisch des Bezirkes vom 22.2.1990, Kopie A.d.V.

115 Protokoll des Bürgerkomitees, o.D. [Februar 1990], Kopie A.d.V.

116 Siehe auch: Der Spiegel vom 3.9.2001, S. 132.

117 Vgl. Peter Ulrich Weiß, Erst mitregiert, dann abserviert. Neues Forum und Runde Tische im Bezirk Cottbus 1989/90, in: Horch und Guck 3 / 2005, S. 45-51.

118 In Anlehnung an Uwe Thaysen, Der Runde Tisch. Oder: Wo blieb das Volk?, Opladen 1990, S. 152f.

119 BStU, Cbs AKG 1875, Bl. 1-7.

120 Siehe dazu die Erinnerungen des damaligen Moderators am Runden Tisch, Günther Haferland: Ders., 10 Jahre danach. Erinnerungen an den „Runden Tisch“ des Kreises Finsterwalde in der Wendezeit 1989/90, in: Der Speicher/Heft 3, Finsterwalde 1999, S. 79-87; und die dazugehörigen Finsterwalder Pressemeldungen: Der „Runde Tisch“ und das Gebäude des MfS, in: LR vom 4.1.1990; Kippt der „Runde Tisch“?, in: LR vom 16.1.1990; Der „Runde Tisch“ darf nicht kippen, in: LR vom 20.1.1990; Runder Tisch zum MfS in einer Sondersitzung, in: LR vom 16.2.1990.

121 BArch, DC 20 11351, Meldung vom 15.2.1990 aus Cottbus von Herrn Göhler, MA des RB [Rates des Bezirkes], an den Operativstab Berlin.

122 BArch, DC 20 11351, Bericht von Herrn Neubert, Bez. Cottbus, vom 6.2.1990.

123 BArch, DC 20 11351, Information Beauftragter Neubert, Bezirk Cottbus vom 1.2.1990.

124 Stellvertretend dafür: Erklärung des Runden Tisches der Stadt Cottbus, in: LR vom 2.2.1990, S. 8.

125 BArch, DC 20 11351, Meldung vom 14.2.1990 aus Cottbus von Oberst Schator, MA des RB, an den Operativstab Berlin. - Protokoll des Runden Tisches in Luckau vom 7.2.1990, Kopie A.d.V.

126 BLHA, Rep. 801, Nr. 26772, Protokoll über die 3. Beratung des „Runden Tisches“ am 24.1.1990.

127 BArch, DC 20 11351, Tagesbericht von E. Neubert vom 25.1.1990.

128 Protokoll Runder Tisch vom 24.1.1990 von R. Schneider, Kopie A.d.V.

129 Beide Anträge wurden vom Neuen Forum gestellt. BLHA, Rep. 801, Nr. 26772, Protokoll über die 3. Beratung des „Runden Tisches“ am 24.1.1990.

130 Ehemaligen AfNS-Mitarbeitern Arbeitsmöglichkeiten geben, in: LR vom 31.1.1990.

131 BLHA, Rep. 801, Nr. 26772, Protokoll über die 6. Beratung des „Runden Tisches“ am 28.2.1990.

132 LR vom 28.2.1990.

133 BArch Berlin, DC 20 11956, Tagesbericht E. Neubert an den Operativstab Berlin vom 1.3.1990.

134 Diese Arbeitsgruppe bestand ausschließlich aus Vertretern des Rates des Bezirkes und wurde vom stellvertretenden Bezirksvorsitzenden für Energiefragen, Bernhard Dittrich, geleitet. BLHA, Rep. 801, Nr. 22853, Beschluss des Rates des Bezirkes Nr. 0022/90 zur Bildung, Zusammensetzung und Arbeitsweise der zeitweiligen Arbeitsgruppe des Rates des Bezirkes Cottbus zur Auflösung der Bezirksdienststelle Cottbus des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit vom 19.2.1990.

135 LR vom 27.9.1990.

136 LR vom 1.4.1991.

137 Unterlagen von Horst Helbig, Kopie A.d.V.

138 So z.B. Ilko-Sascha Kowalczuk, Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR, München 2009, S. 519.

 

 

1Ergänzung und Überarbeitung eines Textes von 2010

2Ergänzung und Überarbeitung eines Textes von 2010